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Mit Weinbau fing alles an, aber erst Kampfroboter im Osteuropa der 20er Jahre sorgten für den Turbo. Und das obwohl es mit Blick auf seine Vorfahren auch gut und gerne ein Brauerei-Spiel hätte werden können, dass Jamey Stegmaier den großen Durchbruch bringt.
Stonemaier Games entwickelte sich innerhalb in relativ kurzer Zeit von einem kleinen amerikanischen zu einem international anerkannten Verlag. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei oft Jamey Stegmaier, der Gründer und Kickstarter-Experte. Er ist vor allem dafür bekannt, auf seine Community zu hören und deren Feedback besonders ernst zu nehmen. So kommt es auch, dass es an den Spielen von Seiten der Spieler selten etwas zu meckern gibt. Die Spiele sind stets auf dem höchsten Industriestandard produziert, weisen eine stimmige und hochwertige grafische Gestaltung auf und sind in Bezug auf das Gameplay durch unzählige Tests geschliffen worden. Wie ernst es ihm dabei mit der Community ist, sieht man an der Geschichte vom jungen Nachwuchsautor Kai Starck, dessen Idee von Jamey als eigenständige Erweiterung zu Scythe herausgebracht wurde (das Interview mit Kai findet ihr hier…).
Mit Jamey spreche ich über die Gründung seines Verlages, den Aufstieg seiner kleinen Firma und warum Kickstarter als Plattform für ihn nicht mehr erste Wahl ist. Und natürlich gibt er auch einen Ausblick auf zukünftige Projekte.
Jamey Stegmaier im Fernseh-Interview – offensichtlich ein paar Jahre her…
Ich denke, wir müssen dich meinem Publikum nicht unbedingt vorstellen, da du in der Brettspiel Community gut bekannt bist. Vor der Gründung von Stonemaier Games hattest du aber ja auch ein Leben. Was hast du gemacht, bevor du eine international bekannte Brettspielfirma gegründet hast und wann hast du dich entschlossen, Unternehmer zu werden?
Ich gehe immer davon aus, dass die Leute noch nicht von mir gehört haben, also stelle ich mich kurz vor: Mein Name ist Jamey Stegmaier und ich führe ein kleines Verlagsunternehmen namens Stonemaier Games von meinem Haus in St. Louis, Missouri (USA), aus. Bevor ich das Unternehmen im Jahr 2012 gründete, hatte ich zwei Jobs: Ich arbeitete zunächst in einem medizinischen Lehrbuch-Unternehmen als Projektleiter und dann als “Director of Operations” an einer Universität. Im Jahr 2011 habe ich dann beschlossen mein Spieleautoren-Hobby auf die nächste Stufe zu heben und beschloss ein Spiel zu entwerfen (Viticulture) und es über Kickstarter zu finanzieren.
Viticulture war das erste Spiel, das du entworfen und veröffentlicht hast. Du hast Kickstarter genutzt, um das Geld, das du benötigst einzusammeln und so das Spiel zu produzieren. Aber im Vorfeld war das Spiel fast vollständig in Bezug auf Gameplay und Grafikdesign entwickelt. Im Jahr 2012 war Kickstarter zudem noch eine sehr junge Plattform. Wann und warum hast du dich entschieden, es als Plattform für dein junges Unternehmen zu nutzen?
Viticulture war das erste Spiel, das ich veröffentlicht habe, obwohl ich zuvor bereits zum Spaß eine Reihe von Spielen entwickelt hatte – das war als ich etwa 8 Jahre alt war. Und ich möchte darauf hinweisen, dass sowohl Artwork als auch Grafikdesign von Viticulture als ich die Kickstarter-Kampagne im August 2012 startete noch sehr unvollendet waren. Auch das Gameplay, von dem ich dachte, es sei fertig, war nicht in Blindtests getestet worden. Die Unterstützer der Kampagne haben damals sehr maßgeblich an der Verbesserung des Spiels mitgewirkt.
Weshalb ich Kickstarter nutzen wollte: Ich war fasziniert von der Idee, mich “Auge in Auge” mit potenziellen Kunden austauschen zu können. Auch wenn Kickstarter nicht die einzige Möglichkeit ist dies zu tun, gefiel mir, dass es ein “sicherer” Weg ist, um dieses Ziel zu erreichen – auch wegen des “alles oder nichts”-Mechanismus bei der Finanzierung.
Jamey Stegmaier mit der Tuscany Erweiterung
Da die erste Kampagne auch noch aus heutiger Sicht wie eine sehr gut geplante Kampagne aussieht, muss das eine Menge Arbeit gewesen sein. Wie lange hat es gedauert, um das Spiel zu arrangieren und diese erste Kampagne vorzubereiten?
Aus heutiger Sicht ist es etwas peinlich, denn wenn ich auf diese Kampagne zurückblicke, verblasst sie, verglichen mit meinen nachfolgenden Kampagnen in Bezug auf die Professionalität (und so ziemlich jeder modernen Kickstarter Brettspiel-Kampagne heutzutage). Es dauerte etwas über ein Jahr, um Viticulture zu entwerfen, den Kickstarter zu planen und aufzusetzen und das Spiel dann zur Produktion vorzubereiten.
Kickstarter war wirklich wie ein Turbo für dein Unternehmen. Die erste Kampagne für Viticulture brachte $ 66.000 (damals ein großer Erfolg für ein Brettspiel!) und die folgenden Kampagnen noch mehr (Scythe finanzierte sich mit mehr als 1,5 Millionen Dollar im Jahr 2015). Hätte es irgendeine Möglichkeit gegeben dorthin zu kommen, wo du jetzt bist, ohne Kickstarter?
Oh nein, meine Firma würde ohne Kickstarter gar nicht existieren. Es geht nicht nur um die Finanzierung. Es ist der Buzz, der von diesen frühen Kickstarter-Kampagnen geschaffen wurde, die Verbindung, die ich mit den Leuten während dieser Kampagnen geschmiedet habe, die Verbesserungen des Spiels, die als Ergebnis von Tests und durch das Korrekturlesen von Viticulture (sowie durch die ganzen Stretch Goals) und so weiter passiert sind.
Vielleicht kannst du uns einen kleinen Einblick in deine Firma Stonemaier Games heute geben. Wie viele Personen sind involviert und wie gelingt die Logistik, da ihr ja weltweit aktiv seid? Wie viele Partner musst du in den verschiedenen Märkten abdecken? Und natürlich, was sind die größten Herausforderungen, mit denen du Tag für Tag umgehen musst…?
Ich bin die einzige Vollzeitkraft, aber es gibt viele Leute, die in der Firma beteiligt sind. Sie reichen von einigen Teilzeitmitarbeitern, Helfern für Ersatzteile, Botschaftern, viele Menschen und Firmen, an die ich Tätigkeiten auslagere, unsere internationalen Partner und andere. Ich bin der Knotenpunkt für die gesamte Organisation, aber Stonemaier Games würde nicht ohne all diese Leute existieren.
Ein großer Teil meiner Arbeit ist Problemlösung, aber die Probleme variieren von Tag zu Tag. An manchen Tagen gibt es ein Produktionsproblem oder ein Problem im Bereich Customer Serivce. An anderen Tagen ist es etwas im Zusammenhang mit einem internationalen Partner, Händler, Einzelhändler oder einer Frachtschifffahrtsgesellschaft. Manchmal gibt es Rechnungsfragen, aber glücklicherweise haben wir bisher noch keine rechtlichen Problemstellungen zu bewältigen.
Die Community war immer ein Punkt, den du sehr ernst genommen hast. Als Benutzer von boardgamegeek.com sah ich dich auf Hunderte von Threads und Posts antworten. Du bist auch auf Twitter, Facebook und auf eigenen Blogs aktiv. Darüber hinaus hast du ein Buch über deine Crowdfunding Erfahrungen geschrieben. Wie schaffst du diese riesige Arbeitsbelastung neben deinem eigenen Unternehmen?
Ich betrachte all das Social Media Zeug als Teil meines Unternehmens, nicht getrennt. Infolgedessen arbeite ich viel: Sieben Tage die Woche, in der Regel 10-12 Stunden am Tag, und ich mache sehr selten Urlaub. Ich denke, der Schlüssel ist, dass ich es echt genieße zu arbeiten. Ich liebe, was ich tue, und ich würde normalerweise lieber arbeiten als andere Dinge tun. Ich bin Single, ich habe keine Angehörigen (nur die Katzen), und ich arbeite von zu Hause aus. Ich bin mir auch sehr bewusst, wann ich Pausen machen muss – von einer kurzen YouTube-Pause bis hin zu einer längeren Pause – so versuche zu verhindern, dass ich ausbrenne.
Die enge Bindung kann auch eine Bedrohung sein, wenn es um Kritik geht. Ich erinnere mich an deinen Blogpost in den Tagen, als du die Scythe-Kampagne mit einem neuen System für die Stretch-Goals begonnen hast. Wie kamst du mit dieser Situation klar und wann hast du erkannt, dass du die Kampagne ändern musst?
Es war eine seltsame Situation, denn ich hatte es im Voraus mit Hunderten von Botschaftern geteilt, und niemand sagte, dass das neue System, das ich teste, ein Problem war. Aber dann wurde es von Zehntausenden von Menschen in den nächsten Tagen gesehen und einige von ihnen waren so ärgerlich, dass ich zu einem traditionellen Stretch-Goal-System zurückkehrte. Das waren ein paar harte Tage.
Nach mehreren Jahren auf Kickstarter als Plattform, hast du dich entschieden, eher klassische Wege der Vermarktung und Distribution zu nutzen. Andere Firmen wie z.B. CMON (früher Cool Mini oder Not) nutzen Kickstarter weiterhin ausgiebig für Marketing- und Finanzierungsaspekte. Was waren die Gründe, um die Strategie vor allem in Bezug auf den großen Erfolg und die guten Erfahrungen auf Kickstarter zu ändern?
Es gab drei Hauptgründe, warum ich beschloss, mit Stonemaier Games von Kickstarter wegzugehen, mit einem übergeordneten Ziel: Ich wollte die Dinge, die ich an Kickstarter mochte (die Interaktionen, das Marketing, das Niveau der Qualität, die Kommunikation, die Fähigkeit, die Nachfrage zu beurteilen, etc.), aber ohne Kickstarter. Die Gründe Kickstarter zu verlassen waren die zeitliche Effizienz des Verkaufs an eine Handvoll von Händlern anstelle der Koordination von Sendungen an Tausende von einzelnen Verbrauchern, der Wunsch, unangenehme Situationen zu vermeiden, wie ich sie während der Kampagne von Scythe erlebt habe und das potenzielle Risiko, sich auf einige Abwicklungsfirmen weltweit zu verlassen, die die harte Arbeit mehrerer Monate komplett vernichten könnten.
Vor einigen Monaten habe ich mit den Mitgliedern eines deutschen Podcasts (Bretterwisser) über Crowdfunding gesprochen. Wir waren überzeugt, dass es fast unmöglich ist, Kickstarter als Plattform zu nutzen, wenn die Kampagne nicht annähernd perfekt ausgearbeitet ist. Man kann nicht mit einem Papierprototyp seines Spiels und einem groben Umriss der Regeln dort auftauchen. Das Spiel muss vorproduziert werden und du solltest ein Testimonial haben wie Rahdo (sorry Richard :-)), der einen Kommentar zum Prototypen abgibt. Was denkst du über diese Entwicklung in Bezug auf die Crowdfunding-Möglichkeiten für junge Spieldesigner?
Ich sehe es auch so, dass jedes Produkt, das heutzutage auf Kickstarter gestartet wird, hochglanzpoliert und gut getestet sein muss, um erfolgreich zu sein. Und die Kampagne muss sich im Markt eine Aufmerksamkeit durch eine Kombination aus den persönlichen Bemühungen des Autors und der Leute wie Rahdo schaffen. Und eine perfekte Kampagne, die gibt es übrigens nicht. 🙂
Crowdfunding hat eine ganze Industrie rund um dieses neue Geschäftsmodell erschaffen. Es gibt viele Unternehmen, die Dienstleistungen für Umfragen und After Sales oder Logistik anbieten. Was sind aus deiner Sicht die nächsten Entwicklungsschritte für das Phänomen Crowdfunding in Bezug auf Brettspiele?
Das ist eine sehr gute Beobachtung in Bezug auf die Industrie rund um das Crowdfunding. Ich denke, wir werden in Zukunft weniger Stretch Goals, schnellere Produktionszeiten und wesentlich selektivere Unterstützer sehen.
Lass uns auf dein aktuelles Spiel wechseln. Mit Scythe hatten Sie einen riesigen weltweiten Erfolg und zwei Erweiterungen kamen bisher heraus. Wird es mehr Erweiterungen geben? Dies ist umso wichtiger zu wissen, da die gerade veröffentlichte die Legendary Box für Scythe ja alle Spielkomponenten beherbegen soll.
In der Tat arbeiten wir derzeit an der dritten und letzten Erweiterung, über die ich nach dem Release von The Wind Gambit erst ausführlicher berichten werde.
Die meisten deiner Spiele sind mehr oder weniger Worker Placement basiert (außer Between Two Cities). Mit Charterstone lancierst du jetzt ein storybasiertes Spiel mit Legacy-Komponenten. Bitte gib uns ein wenig Einblick, was wir von diesem Spiel erwarten können und wie das Gameplay von dem Legacy-Element betroffen sein wird.
Scythe ist übrigens auch nicht Worker Placement (es ist Aktionswahl), aber du hast Recht – Viticulture, Euphoria und Charterstone nutzen alle Worker Placement. Ich denke, ich mag, wie thematisch dieser Mechanismus ist, da er etwas abstraktes in einem Spiel greifbar macht: Ein Arbeiter erledigt eine bestimmte Aufgabe für dich.
Legacy ist der Kernmechanismus für Charterstone – jedes Element des Spiels ist um diesen Mechanismus gebaut. Zum Beispiel startet Charterstone mit einem kurzen Regelbuch. Es sind nur 4 Seiten Regeln mit einer Anzahl von leeren Stellen, um zukünftige Regeln freizuschalten und später hinzuzufügen. So kannst du ganz einfach dein erstes Spiel von Charterstone spielen. In Charterstone baust du ein Dorf mit bis zu fünf anderen Spielern, so dass ein großer Teil von dem, was du tust, Ressourcen sammeln ist, um Gebäude in deinem “Charter” (dein eigener Abschnitt des Dorfes) zu bauen. Wenn man das tust, klebt man einen Aufkleber auf eines der Teile und legt sie in seinen Charter. Das Gebäude wird ein Aktionsraum für jeden Spieler. Genau wie in echten Dörfern, steht das Gebäude noch am nächsten Tag, also im nächsten Spiel. Auch in der zwölf Spiele umfassenden Kampagne, in der die Spieler für ihr Dorf den eigenen Weg finden müssen gibt es ein Story-Element – und auch das ist dauerhaft. Charterstone ist einzigartig, da es so konzipiert ist, dass es auch nach dem Ende der Kampagne komplett wiederspielbar ist.
Dein erstes Spiel Viticulture wurde im vergangenen Jahr in Deutschland von Feuerland Spiele veröffentlicht. Wird es mehr Viticulture für Deutschland geben oder sogar völlig neue Erweiterungen? Oder ist dieses Spiel nun “durch” und fertig?
Tatsächlich bin ich sehr glücklich, mit Feuerland zu arbeiten – sie sind ein ausgezeichneter Partner. Ich kann nicht für Feuerland sprechen, aber ich denke, sie planen vielleicht die Veröffentlichung der Tuscany Essential Erweiterung im nächsten Jahr und vielleicht eine kleine Besucher Expansion (sie haben bereits die Moor Visitors Erweiterung herausgebracht).
Und was kommt als nächstes? Was sind die nächsten Projekte, an denen du arbeitest? Werden wir dich wieder bei Kickstarter sehen?
Als Autor arbeite ich an einigen kooperativen Spielen (eine neue Herausforderung für mich) und an einem Zivilisationsspiel. Als Verleger unterstütze ich bei ein paar neuen Spieleideen, die wir akzeptiert haben. Ich arbeite auch an der dritten Scythe Erweiterung und der Euphoria Erweiterung (die nicht von mir entworfen ist, aber ich helfe mit).
Ich möchte niemals “nie” sagen, aber ich denke, es ist höchst unwahrscheinlich, dass ich zu Kickstarter zurückkehren werde. Ich habe mich so auf die Verbindungen zu Einzelhändlern und Distributoren konzentriert, dass ich diese Beziehungen nachhaltig schädigen könnte, wenn ich an diesem Punkt etwas kickstarte.
Seine Vorfahren waren deutscher Abstammung und Bierbrauer
Eine persönliche Frage für mein deutschsprachiges Publikum … Dein Name klingt und sieht ganz europäisch aus?! Sind Deine Ahnen aus Deutschland, Österreich oder einem anderen Land in Europa gekommen?
In der Tat sind meine Vorfahren deutsch, irisch und polnisch. Vor etwa 200 Jahren kamen zwei Stegmaier-Brüder aus Deutschland nach Amerika. Einer war ein Brauer, wie man am Bierglas in einem meiner Fotos sehen kann.
Ein kleiner Nachtrag noch zu den Vorfahren von Jamey. EIn kleine Recherche ergab, dass die Vorfahren in Mutlangen aktive Brauer sind. So fand ich die folgenden Bierdeckel im Netz, die jeweils auf einen Stegmaier referenzierten. Jamey sagte mir, dass Josef Stegmaier einer der Vorfahren war, die ausgewandert sind. Umso erstaunlicher, dass er ein Weinbau-Spiel und kein Brauerei-Spiel entwickelt hat. Aber wer weiß, vielleicht kommt das ja noch…
Link zu Stonemaier Games
Link zu Feuerland Spiele
Oktober 16th, 2017 by Dirk
Pingback: ...you mech it anywhere. - Interview with Jamey Stegmaier - Würfelmagier - Brettspiel Blog
Ein wunderbares Interview und ein richtig unterhaltsamer Artikel! Klasse!
Danke dir! Endlich mal Kommentare im Blog… 🙂
Sehr schönes Interview mit guten Fragen ??
Danke ?
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