Lesezeit: 4 MinutenNicht, dass sich jemand angegriffen fühlt. Das hat nichts mit der Stadt und ihren Bewohnern zu tun. Hier geht es alleine um das Spiel Ulm von Günter Burkhardt. Ulm tritt dabei in die Fußstapfen der zahllosen Spiele mit Städtenamen als Titel. Hierbei sei auf einen Artikel der geschätzten Muwins verwiesen, denen dies irgendwie gehörig gegen den Strich geht. Aber nun genug der einleitenden Worte und ab in medias res…
Wie Ulm gespielt wird
Ulm besitzt einen im Kern sehr einfachen wie auch fordernden Grundmechanismus: Oben rechts auf dem Spielplan findet man ein Mosaik auf dem man zu Beginn bereits sog. Aktionssteine ausgelegt hat. In seinem Spielzug zieht der aktive Spieler einen Aktionsstein aus dem Beutel und schiebt ihn auf dem 3×3 Felder großen Raster ein. In der so entstandenen neuen Reihe kann der aktive Spieler die drei Aktionen ausführen. Die auf der anderen Seite herausgeschobenen Steine bleiben dort liegen und diese Reihe ist dann für weitere Einschiebe-Aktionen gesperrt.
Die Aktionsmöglichkeiten sind dabei:
- Geldaktion: Eine Münze aus dem Vorrat nehmen.
- Abräumaktion: Der Spieler nimmt die auf einer der vier Seiten herausgeschobenen Steine in seinen Vorrat.
- Kartenaktion: Der Spieler kauft eine Karte oder spielt eine zusätzliche Handkarte aus (ein Karte darf im Spielzug ohnehin gespielt werden).
- Flussaktion: Der Spieler bewegt seine Zille (ein Boot) auf der Donau vorwärts.
- Siegelaktion: Der Spieler platziert gegen Zahlung von 2 Münzen eines seiner Siegel auf einem Stadtteil ober- oder unterhalb seiner Zille. Dabei erhält er das entsprechende Stadtteil-Privileg.
Oben rechts auf dem Spielplan werden die Aktionen gewählt
Das Ganze klingt zunächst mal recht einfach und trotzdem ist der puzzle-artige Aktionswahlmechanismus manchmal sehr vertrackt. Aber das Salz in der Suppe kommt durch zahlreiche kleine andere Mechanismen.
Die Karten beispielsweise bieten zwei Möglichkeiten: Spielt man sie auf den Ablagestapel aus, erhält man einen Effekt während des Spiels einmalig. Spielt man sie vor sich aus, zählen sie am Spielende entsprechend der aufgedruckten Symbole.
Die Stadtteile von Ulm liefern Privilegien für die Spieler, wenn sie ein Siegel dort platzieren. Dies können sowohl Sondereffekte von Nachkommen sein, als auch Stadtwappen, die entweder sofort oder im späteren Verlauf noch mal wichtige Punkte liefern.
Die Donau, die sich mit den Zillen nur in Stromrichtung befahren lässt, liefert auch noch mal Punkte. Alle Zillen, die am Spielende noch links von der Brücke sind, zählen einen Minuspunkt je Feld bzw. einen Siegpunkt, wenn sie sich rechts davon befinden.
Das aus Pappe gefaltete 3D-Modell Ulmer Münster dient als Rundenzähler. In der Experten-Variante verändern die Bauteile in jeder Runde auch noch mal die Regeln etwas und ermöglichen Sonderaktionen.
Das Spiel endet nach zehn Runden, wenn alle Münster-Bauteile in den Münsterturm eingesetzt worden sind.
Was uns an Ulm gefallen hat
Das 3D-Modell des Ulmer Münsters dient auch als Rundenzähler
Ulm transportiert viel Geschichte und Thema. Die Stadtviertel, der Fluss und das 3D-Münster tragen dazu bei. Auch der von Michael Menzel toll gestaltete Spielplan hat dabei gefallen und trägt zum Thema bei.
Der Kernmechanismus zur Wahl der Aktionen ist besonders hervorzuheben und grenzt das Spiel von den typischen Workerplacement-Spielen positiv ab. Das Puzzleelement ist natürlich etwas glückslastig, aber dennoch hat es Spaß gemacht nach der möglichst besten Kombination im bestehenden 3×3 Raster Ausschau zu halten. Alles in allem bleibt Ulm hier taktisch und wird nur wenig strategisch.
Das Material ist absolut in Ordnung und die Grafik von Michael Menzel üppig und stimmig umgesetzt. Die Qualität der Karten ist nicht überragend, geht aber grundsätzlich in Ordnung.
Was uns an Ulm nicht gefallen hat
Man kann es am Titel schon erahnen, aber wir sind leider nicht so ganz warm geworden mit Ulm. Das Spiel hat mich total angesprochen und ich mag die thematische Fülle, die hier ganz viel Geschichte und Wissen transportiert. Aber aus meiner Sicht gibt es einige Dinge, die dem Spieler das Leben leider schwer machen. Und genau das finde ich so schade, denn ich hätte es so gerne 100%ig mögen wollen, kann ich aber nicht. Und das hängt an zu vielen kleinen Stolpersteinen.
Der Spielplan ist eindrucksvoll gestaltet…
Da ist zunächst mal die zweigeteilte Anleitung. Der Großteil des Spielablaufs ist in der klassischen Anleitung enthalten. Dazu gibt es dann aber noch die Chronik mit Details zu Karten und den Münster-Plättchen. Eigentlich keine schlechte Idee, wären nicht beide Hefte durch die drei Sprachen, die jeweils enthalten sind relativ dick (das Regelheft hat 24, die Chronik von Ulm sogar 54 Seiten!) und damit unhandlich.
Nervig war dabei leider auch, dass ein Teil der Regeln in dem einen und ein anderer (wichtiger!) Teil in dem anderen Heft stehen. So musste man immer hin- und herblättern, um die richtige Stelle zu finden. Während der ersten Partie war das sehr nervig, dann wurde es besser, da es ja auch weniger Unklarheiten gab. Besonders schwierig war es mit den Ulmer Spatzen. Die werden in der Anleitung erwähnt und als Punktelieferant und Joker beschrieben, aber erst durch das intensive Studium der Chronik erfährt man, dass man diese auch erhält, wenn man einen Aktionsstein auf ein Stadtviertel schiebt, das man bereits besetzt hat. Das fanden wir etwas unglücklich und vor allem zu spät heraus.
Auch die Ikonographie hat uns nicht vollends überzeugt. Gerade die der Münster-Teile ist sehr klein und man muss Sicherheit immer noch mal die Chronik bemühen, um sicher zu sein alles richtig interpretiert zu haben. Das ging uns nicht nur beim ersten Spiel so, sondern auch in den Folgepartien. Vielleicht ist es auch deshalb die Experten-Variante, weil es die weniger stört.
Die Nachkommen schaut man meistens auch immer noch mal nach, denn auch sie haben eine recht kleine und nicht sofort selbsterklärende Ikonographie.
Fazit zu Ulm
Ulm ist an sich nicht kompliziert, hat aber durch die vielen unterschiedlichen kleinen Punkte- und Aktionsmechanismen eine durchaus hohe Einstiegshürde. Sehr viele kleine Aspekte müssen bedacht und taktisch bewertet werden. Das macht Spaß, durch die etwas unklare Ikonografie und das Nachschlagen in der Chronik oder Anleitung, kommt das Spiel aber zu häufig ins Stocken. Im Kern bleibt Ulm aber ein schönes Spiel mit geschichtsträchtigem Inhalt. Denn das gelingt dem Spiel auf jeden Fall, es transportiert eine Menge Wissen und Geschichte zur Stadt Ulm.
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