Meine Meinung zu Kickstarter ist ja bekannt: Es war als Vorfinanzierungsplattform geplant und nicht als dauerhafte Marketing- und Hype-Maschine. Mittlerweile hat sich das System aber selbst überholt und nur noch wenige Projekte sind echte Herzensprojekte, die die Plattform brauchen, um finanziert zu werden.
Era of Tribes ist ein solches Herzensprojekt. Ein wirklich echtes Herzensprojekt, mit dem Arne Lorenz seit 10 Jahren schwanger war, wie er selbst gesagt hat. Er hat dabei nahezu alles selbst gemacht – von der Regel bis zur letzten Grafik und Illustration. Und nun soll sein Werk endlich das Licht der Welt erblicken. Dazu braucht er die Unterstützung von Freunden, Fans und Menschen, die sein Spiel haben möchten. Ohne diese Form der Finanzierung würde er das Ganze wohl nicht realisieren können. Nun hat er bereits vorab ein wenig Geld in die Hand genommen, um produktionsnahe Prototypen produzieren zu lassen und einen solchen konnte ich mir schon ansehen und im Solo-Modus testen. Das ist auch zugleich die Einschränkung: das Mehrpersonenspiel dürfte noch mal wesentlich interessanter sein, da die Interaktion bei dieser Art Spiele ein ganz wesentlicher Aspekt ist.
Wie Era of Tribes gespielt wird
Era of Tribes steht in der Tradition der großen Civ-Spiele wie Civilization oder Through the Ages. Kein Wunder ist auch die Spielschachtel entsprechend groß und prall gefüllt mit einem gigantischen Spielplan, der Europa abbildet, sowie den zahlreichen Spielertableaus der unterschiedlichen Völker. dazu kommen zahlreiche Marker und Chips, die Waren und Geld sowie Barbarendörfer symbolisieren. Alles in allem eine prall gefüllte Kiste Material. Dazu noch ein umfangreiches Regelwerk von 28 Seiten, das alle Details des Spiels umfasst und somit auch wie ein Nachschlagewerk aufgebaut ist.
Der Aufbau gestaltet sich etwas langwierig, was bei solche einem epischen Spiel jedoch nicht überraschen dürfte. Zunächst mal muss man je nach Spielerzahl einen bestimmten Bereich des Spielplans mit den beiliegenden Grenzsteinen abteilen. Dann bringt man die Luxusgüter aus, wobei man gut hinschauen muss, wo sich die Felder befinden. In der Vorab-Version waren die Felder nämlich noch etwas zu kontrastarm, so dass ich zunächst ein paar der Felder übersehen hatte. Zusätzlich werden noch Ernährungschips und Barbarendörfer ausgelegt. Dann bekommt jeder Spieler noch ein entsprechendes Volk zugeordnet oder man sucht es sich aus.
Hierbei muss man natürlich schauen, in welchem Teil man spielt, denn falls man im westlichen Europa unterwegs ist, kann man kaum mit den Slaven spielen. Auf dem eigenen Spielplan werden dann die Vasallen und die Dörfer aufgestellt, die dann nach und nach im Spielverlauf ausgebracht werden – das erinnerte mich irgendwie an Terra Mystica. Und natürlich gibt es auch eine Art Tech-Tree, den man mit seinen Marker belegt und auf dem man zu Beginn bereits einen beliebigen Schritt wählen darf.
Der Spielablauf ist eigentlich recht klar geregelt. Reihum aktivieren die Spieler mittels ihrer Anführer die Aktionsfelder auf ihren Spielertableaus. Dazu platzieren sie einfach einen Anführer auf dem Feld und zusätzlich ggf noch Luxusgüter aus dem eigenen Vorrat. Ohne nun in alle Details abzugleiten, sind die wichtigsten Aktionen:
Expansion
Die Ausbreitung spielt bei Civ-Spielen wie Era of Tribes natürlich eine ganz zentrale Rolle. In Abhängigkeit des Wachstums – berechnet aus Menge der Nahrung, evtl. vorhandener Luxusgüter, dem/den platzierten Anführer(n) und der Moral, platziert man neue Vasallen auf dem Spielplan. Diese dürfen zu bereits bestehenden Vasallen dazugesetzt werden – quasi Vasallen-Babys – oder in bereits vorhandenen Städten platziert werden. Danach kann man die Vasallen noch bewegen und sie so zu Flotten umwandeln (wenn ein Meer benachbart ist), einen Handelsposten auf angrenzenden Städten der Gegner errichten oder die Vasallen zu Soldaten machen und dem Heer zuordnen. Man kann sie aber auch einfach bewegen und damit wiederum ganz verschiedene Dinge auslösen. Auf einer unbesetzten Provinz siedeln sie, auf besetzten Provinzen, um diese zu befreien oder man zieht drei auf einer Provinz zusammen, um eine Stadt zu gründen. Für letzteres muss man natürlich über den entsprechenden Architektur-Fortschritt verfügen. Und natürlich kann man die Flotten nutzen, um die Vasallen zu „transportieren” und so längere Strecken zurückzulegen.
Und last but not least erfolgt das Unvermeidliche: Es kommt zum Kampf. Dieser wird zwar ausgewürfelt, jedoch zählen gewisse Würfelseiten, egal von wem gewürfelt, immer für den Spieler, der in Mechanik, Stärke oder Moral den höchsten Wert hat. Schwert und Schild zählen stets für den Angreifer bzw. Verteidiger. Die Details schaut ihr euch am besten selbst an, das System finde ich durchaus interessant, denn es befreit ein wenig von eigenem Glück und Pech. Dennoch bleiben es natürlich Würfel. 😉
Handel treiben
Hier geht es einfacher zu: In Abhägigkeit der platzierten Anführer (je Anführer 1 Taler), der Handelsposten und möglichen Fortschritte auf dem Tech Tree sowie der zusätzlich platzierten Luxuisgüter, erhält man Taler, die auf dem Feld platziert werden.
Steuern erheben
Natürlich braucht ein jeder Herrscher Geld – ganz egal welchen Stamm er regiert. Und dieses beschafft man sich durch Steuern aus den Städten. Aber hier heißt es aufgepasst, denn Steuern sind nicht wohl gelitten unter den Bürgern und senken die Moral.
Diplomatie
Hier gibt unterschiedliche Möglichkeiten: Man kann einen weiteren Anführer anwerben, also eine Art Söldner. Kann Friedensbemühungen vorantreiben, was eventuellen Angreifern ein extra an Moralmalus bringen würden. Man kann Einfluss sammeln und in der nächsten Runde die Spielerreihenfolge festlegen. Zusätzlich kann man mit benachbarten Spielern Bündnisse schmieden.
Fortschritt
Natürlich möchte man seinen Stamm in gewissen Bereichen auch technisch oder kulturell voranbringen. Setzt man einen Anführer hier ein, kann man einen Fortschrittsbereich verbessern. Die Kosten sind dabei von den anderen Fortschrittsbereichen abhängig. Wurden überlappende Fortschrittsbereiche noch nicht entwickelt, steigen die Kosten erheblich an. Ein interessantes Konzept, auch wenn man etwas braucht, um sich die Kosten abzuleiten, sorgt dieses System dafür, dass nicht einzelne Bereiche entwickelt werden, andere jedoch zurückbleiben.
Brot&Spiele
Die braucht man, um die Moral zu steigern. Jeder Anführer und jedes Luxusgut, das man einsetzt steigert die Moral um 1 Punkt.
Revolution
Die Revolution ist bei Era of Tribes der Mechanismus, um in die nächste Epoche aufzusteigen. Dazu muss man 2 der 3 Voraussetzungen erfüllen. Tut man dies, endet die Runde jedoch und man ist etwas wehrlos. Zudem erfolgt für revoltierende Spieler keine Auteexpansion
Haben alle Spieler ihre Aktionen reihum ausgeführt, kommt es noch zur Autoexpansion. Diese entspricht im Wesentlichen der Expansion, jedoch muss man keinen Anführer einsetzen. Und alle Spieler, die die Expansion schon durchgeführt haben, sind hiervon natürlich ausgenommen.
Nun muss noch ein wenig aufgeräumt werden und dann wird geprüft, ob jemand das Spielende auslöst. Dies erfolgt abhängig vom gewählten Spielmodus durch das Erfüllen bestimmter Voraussetzungen.
Was ich von Era of Tribes halte
Ich war gespannt auf das Spiel, denn Arne hatte es schon länger über die Social Media Kanäle proklamiert und die einzelnen Entwicklungsstände immer wieder gezeigt. Es ist schon Wahnsinn, wie viel Zeit er in dieses Herzensprojekt gesteckt hat. Davor ziehe ich auf jeden Fall schon mal den Hut. ?
Era of Tribes ist das, was es sein will: Ein großer fetter Civ-Brocken mit zahlreichen Aktions- und Interaktionsmöglichkeiten, dabei aber mit einem im Kern eigentlich flotten Aktionswahlsystem. Dazu historisch korrekte Völker – zumindest so in etwa -, die asymmetrisch aufgebaut sind. So bietet das Spiel einen unerschöpflichen Wiederspielreiz. Auch die variable Karte, die durch Grenzsteine abgesteckt wird, macht das Spiel variantenreich. Dazu hat Arne mir noch verraten, dass es wohl auch ein Stretch Goal geben soll, das ein komplett variables Spielbrett beinhaltet – also ein bisschen Catan bei Era of Tribes.
Aber man muss sich auch reinfuchsen wollen in so ein Spiel. Es ist nicht sonderlich kompliziert, wenn man erst mal drin ist. Dennoch gibt es viele Regelchen zu beachten und man muss das Regelheft hier und da zur Hand nehmen. Gerade anfangs sollte man es direkt daneben liegen haben, um alle Abläufe transparent nachlesen zu können.
Die Optik des Spiels ist sehr düster und hier und da sollte man noch mal ein wenig an den Kontrasten arbeiten, um beim Aufbau alles sofort zu finden. Aber da es sich um eine Vorab-Kopie handelte, bin ich mir sicher, dass es hier noch mal ein paar Optimierungen geben wird.
Fazit zu Era of Tribes
Era of Tribes richtet sich an Fans großer epischer Civ-Spiele, daraus macht Arne keinen Hehl, dennoch können auch Civ-Neulinge sich an diesem Brocken versuchen, sollten dann aber in dem Bewusstsein an die Sache gehen, dass es ein wenig Arbeit ist, in das Spiel zu finden und vor allem erfahrene Spieler vermutlich im Vorteil sind.
Ich finde vor allem klasse, dass mal wieder ein echtes Herzensprojekt um das Geld der Crowdfunder buhlt und nicht der nächste Miniaturen-Hype-Train abfährt. Obwohl auch Miniaturen bei Era of Tribes interessant wären 🙂 Ich werde Arne auf jeden Fall mit einem kleinen Obolus unterstützen und als Unterstützer einsteigen, einfach weil…
Die Preview-Seite zum Kickstarter Projekt von Era of Tribes findet ihr hier.