Dezember 21st, 2018 by Dirk
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Coimbra ist neben Lissabon und Porto wohl eine der drei wichtigsten Städte Portugals. Zwar ist die pittoreske Stadt nur den wenigsten Deutschen oder gar Europäern bekannt – mir bis zu diesem Spiel ehrlich gesagt auch nicht -, aber wenn schon mal ein Brettspiel nach einer Stadt benannt wird, dann muss diese doch wichtig genug sein. Verzeiht den kleinen Anflug von Ironie, denn wie bei gefühlt tausenden von Spielen mit Städtenamen (gibt es dafür vielleicht eine Liste auf BGG? Wenn ja, bitte in die Kommentare posten!), geht es auch bei Coimbra mal wieder darum, dass wir in dieser namensgebenden Stadt möglichst viel Einfluss erlangen. Das machten die Bewohner Coimbras seit jeher mit Würfeln untereinander aus und so würfeln wir uns dann auch als Spieler viele hundert Jahre später durch Coimbra.


Wie Coimbra sich spielt

Coimbra ist ein sogenanntes Dice-Placement-Spiel. Also ein Spiel bei dem Würfel aus einem vorher definierten Pool an Würfeln genommen werden und für unterschiedliche Effekte auf dem Spielplan eingesetzt werden.

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Viele Farben und Felder – Spielbrett, -karten und -tableaus von Coimbra

Der Kniff bei Coimbra besteht darin, dass der Würfel im Verlauf einer Runde zweierlei Funktion hat. Jede Runde beginnt grundsätzlich mit dem Startspieler (ist gemeinhin häufiger so), der einen der Würfel auswählt. Die Würfel haben insgesamt vier unterschiedliche Farben, die für unterschiedliche Stände (a.k.a. Fraktionen) in Coimbra stehen. So gibt es die Kaufleute (orange), die Militärleute (rot), die Kirchenleute (violett) und die Nerds (a.k.a. Wissenschaftler in der Farbe grün). Das ist in dieser Phase erstmal völlig belanglos, denn zunächst geht es um die Zahl auf dem gewählten und einzusetzenden Würfel. In der ersten Phase werden die Würfel nämlich zum Anwerben von Personen genutzt, die man entweder in Geld oder mit Wachen, also Schutz vor bösen Mächten, bezahlen muss. Der Wert des Würfels gibt die Höhe der Kosten an, die anzuwerbende Person die Art der Währung fürs Anwerben (Geld oder Wachendings). Haben alle „ihre“ drei Würfel platziert, werden die Aktionen der Reihe nach abgearbeitet, von oben nach unten und vom größtem zum kleinsten Wert. Doch woher weiß man bei 12 Würfeln, welcher zu welchem Spieler gehört? Ganz einfach: Jeder Spieler hat in Spielerfarbe drei kleine Würfel-Festungen, in die er die Würfel satt einrasten lassen kann. Mit diesem „Fuß“ stellt er sie in die entsprechende Personenreihe.

Haben alle ihre Personen angeworben werden einerseits Soforteffekte ausgelöst, als auch dauerhafte Effekte – auch von angeworbenen Personen der Vorrunden – abgehandelt.

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Die Klöster auf dem Pilgerpfad liefern Sofortboni und Endboni.

Und dann gibt es noch Einkommen. Und hier kommt nun endlich die Farbe des Würfels ins Spiel. Orange Würfel bringen Geld, rote Würfel neue Wachen, grüne bringen einfach nur Punkte und violette bringen Schritte für meinen Pilger. Der kann durch das Wandern auf dem Plan zu Klöstern gelangen und so interessante Vorteile für mich freischalten.

Zu guter Letzt kann man noch Geld und Militärstärke einsetzen, um Übersee-Missionen zu sponsern. Die bringen auch noch mal Punkte.

Am Ende wird dann noch mal ordentlich abgerechnet, denn neben den Punkten im Verlauf des Spiels, gibt es auch noch mal Spielende-Boni, die mir einige der angeworbenen Personen zugesichert oder gesponserte Missionen und besuchte Klöster in Aussicht gestellt haben.

Es gewinnt der Würfelschubser mit dem größten Einfluss.


Was an Coimbra gefällt

Coimbra drückt bei mir genau die richtigen Knöpfe. Der eigentlich locker-leichte Mechanismus wird komplex verzahnt – durch die beiden Würfelbedeutungen, die Personenkarten, den Pilgermechanismus und die vier unterschiedlichen Einkommensleisten. All das führt zu einer durchaus hohen Komplexität, ohne dabei kompliziert zu sein. Und das gefällt mir besonders an Coimbra! Denn schlussendlich ist es genau das, was gute Spiele für Vielspieler auszeichnet. Auch wenn wir viel spielen, wollen wir doch eigentlich kein kompliziertes Spiel. Im Idealfall muss sich alles im Laufe der Partie von selbst ergeben. Und genau das schafft Coimbra aus meiner Sicht. Es ist ganz klar, was zu tun ist und man muss ab und an sehr knackige Entscheidungen treffen. Gerade die Verzahnung der Würfel ist mehr als gelungen. Das hat doch immer wieder für gehöriges Nachdenken und Zaudern gesorgt. Denn will man beim Anwerben der Personen Erster sein, bekommt man möglicherweise nur einen Würfel einer Farbe, die dann wieder zu wenig oder das „falsche“ Einkommen einbringt. Und genau diese Entscheidungen machen das Spiel so gut.

Die Varianz ist aus meiner Sicht ausreichend hoch durch die variable Kartenauslage und die zufällig ausgelegten Klöster auf dem Pilgerplan. Das Spiel bietet auch ausreichend Potenzial durch neue Personenkarten oder Klosterplättchen weiter verfeinert zu werden. Und auch die Spielbarkeit in unterschiedlichen Besetzungen funktioniert durch ein fein abgestimmtes Konzept von neutralen Dummy-Würfeln ausgesprochen gut.

Optisch vielleicht nicht Mainstream, wussten mir die Illustrationen zu gefallen. Die Zeichnungen heben sich ab und schaffen es auf eine spezielle Art und Weise einen Eindruck der portugiesischen Universitätsstadt zu schaffen. Die Grafiken waren nach kurzer Eingewöhnung gelernt und unterstützen durch gute Orientierung. Sicherlich muss man mal das ein oder andere Symbol nachschlagen, aber für ein Spiel dieser Klasse ist das meines Erachtens völlig normal und daher akzeptabel.

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Toll gefertigte Würfel-Festungen bei Coimbra

Materialseitig gibt es erstens nichts zu meckern und zweitens großes Lob. Letzteres gilt vor allem den kleinen Würfel-Festungen zur Kennzeichnung der Spielerfarbe. Ich hatte große Bedenken, dass diese nur locker unter dem Würfel sitzen und umständlich mit dem Würfel aufgeklaubt werden müssen. Aber nichts dergleichen! Die Würfel rasten satt ein und gehen auch einigermaßen einfach wieder abzulösen. Das ist ein unglaublich gutes Gefühl. Würfel wählen, von oben mit zwei Fingern greifen, in die Festung einrasten und platzieren. Aus meiner Sicht ist dies ein ganz wichtiger Punkt. Wäre das eine fummelige Angelegenheit, würde der Spielfluss und das Spielgefühl deutlich negativ beeinflusst. Hier ziehe ich den Hut vor den Entwicklern der kleinen Dinger, denn ich will nicht wissen, wie viele Versuche das gekostet hat. Also: Chapeau, liebe Entwickler!


Was an Coimbra nicht gefallen hat

Reden wir mal über das Thema… Coimbra – Universitätsstadt in Portugal. Wir sind wichtige Familien der Stadt. Na ja, immerhin ist der Pilgerweg etwas, das halbwegs thematisch rüberkommt. Ansonsten ist das Spiel thematisch recht entkoppelt und kommt eher mechanisch daher. Auch wenn da alles richtig gemacht wird, fühlt man sich thematisch null komma null abgeholt. Am Ende wird es einfach zu einer unglaublichen Würfelplatzierschlacht und man blendet den ganzen anderen Fluff einfach aus.

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Diese Damen und Herren möchte man in Coimbra gerne auf seiner Seite wissen.

Bei aller Eleganz und Varianz, die das Spiel bietet stellt sich für mich nach einigen Partien aber bereits die Frage, wie lange man das Spiel spielen mag. Denn irgendwann sind die wertvollsten Personen bekannt und die interessantesten Klöster erkundet. Dann könnte sich eine Art Gewöhnungseffekt einstellen (wenn Person X auftaucht, nimmt der Startspieler sie möglichst auf jeden Fall, weil sehr stark), auch wenn das Spiel vielleicht immer noch Freude macht. Aber ich gehe stark davon aus, dass hier auch noch mal nachgelegt werden könnte was Erweiterungen angeht. Das Potenzial ist da…

Und natürlich darf man auch nicht verachten, dass das Spiel eine stille Angelegenheit werden kann. Am Anfang der Runde starren alle zunächst auf die frisch ausgelegten Karten und überlegen, welche davon die attraktivsten sein könnten. Geht die Runde dann erst mal los, geht es dann zwar recht schnell zur Sache, aber nur, wenn sich alle am Tisch bereits eine Fall-Back Option überlegt haben, wenn die gewünschte Option nicht zustande kommt.

Was auch klar sein sollte: Das Spiel hat eine steile Lernkurve. Spielt man es das erste Mal, ist man erst mal „Lost in Coimbra“. Man hat kaum eine Einschätzung, welche Kombinationen sinnvoll sein könnten oder ob es sich nun lohnt für diese eine Person so viel Geld oder Wachen zu zahlen. So haben alle die einen relativ großen Vorteil, die das Spiel schon mal gespielt haben. Das erledigt sich aber dann schnell in den Folgepartien.


Fazit zu Coimbra

Coimbra ist endlich mal wieder ein sehr gutes Dice-Placement-Spiel. Es macht aus meiner Sicht alles richtig und es gibt keinen Mechanismus, von dem man sagen könnte, dass man ihn doch eigentlich gar nicht braucht. Die Verzahnung der Würfelaugen und -farben mit den Kosten der Personen und den unterschiedlichen Einkommensleisten ist schlichtweg genial und stellt die Spieler immer wieder vor schwierige Entscheidungen. Und das ist doch der Crunch, den Vielspieler lieben! Für mich derzeit ein echter Schatz.

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