Februar 12th, 2017 by Dirk
Lesezeit: 6 Minuten

Die beiden Brettagogen Herr Wagner und Herr Noe strahlen ihre Sendung im zweiwöchentlichen Rhythmus aus. Dabei geht es natürlich um Brettspiele, aber im Gegensatz zu vielen anderen Podcasts geht es bei diesen Herren nicht nur um Spielfluss und -mechanik, sondern vor allem um das Thema hinter dem Spiel. Und so lernt man in den “Unterrichtsstunden” der Brettagogen etwas über Zeitreisen, Höhlenbauer, Gärten und andere Themen, in die Brettspiele gekleidet werden. Dazu werden illustre Gäste befragt und die beiden waren selbst etwas überrascht, als sogar der bekannte Comedian Bernhard Hoecker im Sommer einer Interviewanfrage zusagte.

Vor etwa einem Jahr sind die beiden mit dem Podcast gestartet und ich habe den gemeinsamen Podcast genutzt, auch ein paar Fragen zu platzieren. Also, Zeit für ein erstes Resümee und ein paar Fragen an Herrn Wagner, einen der beiden sympathischen Podcaster aus Nordbayern – passend zum ersten Gepodstag.


Ihr seid jetzt ungefähr ein Jahr mit eurem Podcast unterwegs. Was war denn “damals” euer Antrieb einen eigenen Podcast zu machen?

Ich höre einfach selber gerne viele Podcasts – schon alleine, weil ich jeden Tag um die 90 Minuten Arbeitsweg im Auto habe. Irgendwie hatte Lust, selber mal „sowas“ auszuprobieren. Wo die auf einmal herkam, kann ich gar nicht so genau sagen.

Herr Noe und ich haben seit dem Ende des Studiums (so ab 2009) wieder angefangen, Brettspiele zu spielen. Deshalb war dann auch das Thema schnell klar. 😉 Am Konzept haben wir dann noch kurz gefeilt, aber auch da war an sich schnell klar, dass es bei unserem Berufs was mit „Klugscheißen“ sein musste. 😀 Ich habe Herrn Noe gefragt, ob er Lust dazu hätte und da dem so war, stand dem Start unseres Casts im Januar 2016 nichts mehr im Weg.

 

Wusstet ihr vorher schon was man für einen Podcast so braucht und wie das alles funktioniert oder habt ihr euch da Hilfe und Rat von anderen geholt?

Ich bin schon immer interessiert an neuen Medien – war aber bis dato eher als Nutzer beziehungsweise Konsument. Als die Planungen dann konkret wurden, musste ich mir zum einen beibringen, wie ich mit WordPress eine Blogseite ins Leben rufe (Adresse, Design, etc.) und zum anderen ging es darum, die passende Technik (Mikro, Software, etc.)zu finden und zu benutzen. Youtube Videos waren da ein guter Ratgeber. Das waren zwar „harte“ drei Wochen Einarbeitung, aber mittlerweile läuft’s ganz gut. 😉

 

Die Technikbegeisterten unter den Lesern interessiert bestimmt auch, auf welches Equipment und welche Technik ihr setzt. Irgendwelche Tipps für angehende Podcaster?

Kurz und knapp:

Aufnahmen lokal: Audacity, mit einem Yeti Blue Mikrofon mit Popschutz

Aufnahmen unterwegs: Audacity Nachbearbeitung, mit einem Zoom Recorder H4n und zwei Billigst-Mikros vom Elektrogroßmarkt

Aufnahmen über’s Netz: www.zencastr.com

Ein Tip für Anfänger: Kein „Profi“ fällt vom Himmel – macht einfach! 😉

 

Und warum eigentlich Podcast und kein Blog? Letzteres ist doch noch ein wenig einfacher zu realisieren… Und war ein Video-Podcast nie ein Thema? Würde sich doch bei eurem Ansatz doch anbieten, von wegen visueller Unterstützung.

Ich geb Dir Recht – visuelle Unterstützung ist schön und gut, aber sie braucht wieder mehr Aufwand und Equipment (Beleuchtung, Ausstattung, etc,).
Daher schied das von vornherein aus. Ein Textblog ist mir ehrlich gesagt zu fordernd. Bei einem Text hätte ich immer den Anspruch, dass jedes Wort genau sitzt. Da würde nix mehr fertig werden. Für mich also keines Falls leichter zu realisieren. 😉 Ein Podcast mit unserem Format ist da genau das richtige Mittelding. Es erfordert ein bisschen Engagement, die Aufnahmen gehen aber eigentlich immer frei von der Leber weg.

 

Wie organisiert ihr euch bei eurem Podcast? Wer macht was? Oder läuft das eher so fallweise ab?

Wir verteilen wenn wir uns treffen jeweils die Themen für die nächste Sendung. Dann wissen beide, was sie in den nächsten 2-3 Wochen vorzubereiten haben. Die gesamte – nennen wir es mal – Außenpolitik des Podcasts, also Korrespondenz mit Verlagen und Interviewpartnern sowie die Nachbearbeitung der Aufnahmen übernehme ich. Das gleiche gilt für die Pflege der Homepage (Blogeinträge, Fotos, usw.)

 

Hattet ihr am Anfang bereits so ein ganz klares Bild was ihr machen wollt oder hat sich das über die Zeit bis zur ersten Sendung erst entwickelt?

Unser Cast ist ja an sich immer im Fluss – sprich es gibt ja immer mal wieder was Neues oder Altes, das wegfällt. Ein gutes Beispiel dafür sind zum Beispiel die Teamteaching Reihe, die wir im zweiten Jahr verregelmäßigen wollen, aber auch das sogenannte „Grundwissen“. In dieser Kategorie haben wir Brettspielbegriffe erklärt, was wir nach ich glaube drei Folgen wieder eingestellt haben. Es gab keinerlei Protest, also scheint es auch keiner zu vermissen. 😀

 

Ihr seid beide Lehrer im Hauptberuf und aus persönlichen Erfahrungen weiß ich, dass man da eben keinen Halbtagsjob hat. Wie kriegt ihr das Podcasten noch nebenher unter? Ich sehe da auf Twitter teilweise am Wochenende viel Nachtarbeit…

Nachtarbeit.? Ja. Oft.
Bekommt man das zeitlich immer hin? Nein.
Stört mich das? Nein – wir streben Regelmäßigkeit an, aber wenn es mal nicht geht, geht es halt nicht. Das Leben geht weiter. 😉

 

Parallel wollt ihr natürlich auch noch alles Mögliche spielen und das auch möglichst oft. Wie macht ihr das? Spielt ihr meistens zu zweit oder habt ihr einen Spieletreff, den ihr regelmäßig besucht?

Einen öffentlichen Spieletreff besuchen wir beide nicht. Wir spielen entweder zu zweit beziehungsweise auch mit Anderen aus dem Freundeskreis. Wenn ich es so überschlage, habe ich fünf verschiedene private Spielkontakte, die unregelmäßig und auch in Mischkonstellationen zusammen kommen. Herr Noe spielt, soweit ich weiß, oft mit Gruppen aus seinem Freundschaftskreis Pen&Paper Rollenspiele.

 

Grundproblem jedes Spielebegeisterten ist die Menge an Spielen, die jedes Jahr erscheint, bei der ja meistens zu viele interessant sind. Teilt ihr euch da auf, damit ihr nichts doppelt kauft?

Ich hatte bereits vor dem Start unseres Podcasts eine kleine, aber feine Sammlung an Brettspielen, mit der wir die ersten paar Folgen bestritten haben. Mittlerweile haben wir uns einigermaßen einen Namen gemacht und bekommen viel Unterstützung durch die Verlage und ihre Pressemuster, was das angeht. Eine gute Gelegenheit, um an dieser Stelle nochmal DANKE! Dafür zu sagen. Das ist bei unserem Format, in dem es jetzt nicht primär um eine Rezension geht, nicht selbstverständlich. Wir wissen das sehr zu schätzen! 😉

 

Wie und wo lagert ihr eure Spiele denn in euren Wohnungen? Und vor allem, wie viele Spiele sind es in etwa?

Ich für meinen Teil habe eine Regalwand und ein kleine Zusatzregal im Wohnzimmer stehen, in dem zum Glück gerade noch alles Platz findet. Das dürften so im Großen und Ganzen um die 300 Spiele sein.

 

Wie macht das eure Familie mit? Auch da stelle ich mir vor, dass das ab und an mal kollidiert…

Auch hier: eine gute Gelegenheit mal DANKE! zu sagen. Meine Tochter im Vorschulalter spielt mittlerweile selber sehr gerne. Von der Seite droht also keine Gefahr. 😉 Aber meine Frau kommt glaube ich ab und an mal an die Toleranzgrenze – jetzt gar nicht mal was Spiele angeht, sondern einfach was den Zeitaufwand und die Omnipräsenz des Themas angeht. Auch wenn ich zu Terminen wie der SPIEL oder der BerlinCon von Hunter&Cron mal zwei bis drei Tage weg bin, macht sie das alles mit. Sie spielt auch gerne, aber es ist EINE Freizeitbeschäftigung unter vielen. DANKE! 😉

 

Podcasten ist für euch reines Hobby. Allerdings kann so etwas schnell sehr viel Raum einnehmen. In der Szene seid ihr ja mittlerweile sehr bekannt geworden, was ich auch auf euren Ansatz zurückführe. Was sind eure weiteren Pläne für den Podcast? Einfach so weitermachen oder gibt es einen Masterplan?

Richtig, es ist ein Hobby – und das soll es auch bleiben. Außer natürlich, es täte sich bei einem Verlag eine Stelle mit ähnlichem Verdienst auf – dann käme ich wirklich ins Grübeln, ob ich nicht sogar das Lehrerdasein dafür an den Nagel hängen würde. (Ernsthaft! 🙂 Anfragen gerne an mich.) Aber auf keinen Fall streben wir eine „Patreonkarriere“ an.

Einen Masterplan gibt es also aber definitiv nicht! Solange wir Lust und Laune am Podcast finden, machen wir weiter und versuchen dabei auch besser zu werden. Vielleicht ist aber schon nächstes Jahr die Luft raus. Wer weiß?
Momentan macht es auf jeden Fall richtig Bock und ich sehe nicht, warum sich das ändern sollte. Also plant lieber mal die nächsten Jahre noch mit uns. Und wer weiß, vielleicht haben wir noch die ein oder andere Überraschung wie Bernhard Hoecker, Jens Nowotny oder Ähnliches in Vorbereitung – ihr werdet auf jeden Fall von uns hören. 😉

Was unsere Formate angeht werden wir weitermachen wie gewohnt – allerdings wird das Teamteaching das Nachsitzen ablösen. Davon erhoffe ich mir, dass erstens interessantere Sendungen entstehen, aber natürlich auch etwas Entlastung bei der Vorbereitung, sprich Zeitersparnis.

 

Danke für die Beantwortung der Fragen. Vielleicht machen wir demnächst ja auch noch mal was gemeinsam… 🙂

Falls ihr auch mal ein paar Fragen an die beiden Brettagogen richten möchtet, könnt ihr dies am nächsten Elternabend tun. Schickt eure Fragen rund um Brettspiele, den Podcast oder Tipps zum Klugscheißen an info (at) brettagoge.de.

 

Links

Podcasts der Brettagogen unter www.brettagoge.de oder in iTunes und auf twitter unter @brettagoge

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November 2nd, 2016 by Dirk
Lesezeit: 7 Minuten

Andreas Odendahl ist Vielspielern seit La Granja ein Begriff. Unter seinem Synonym ode. findet man nun mittlerweile drei veröffentlichte Spiele, denn neben der Würfelvariante zu La Granja hat er mit Michael Keller zusammen auch an Solarius Mission mitgearbeitet. Für den Würfelmagier SpieleBlog gibt er ein paar interessante Einblicke in den Alltag eines Spielautors und einen kleinen Ausblick auf kommende Projekte.

Die Bilder zeigen unterschiedliche Stadien der Prototypen von No Siesta! und wurden uns von ode. zur Verfügung gestellt.

Eine Rezension zum Würfelspiel folgt dann auch in Kürze hier im Blog.

Viel Spaß beim Lesen.


Spieleautoren erscheinen vielen Außenstehenden – ähnlich wie Buchautoren – als kreative Köpfe mit einem kleinen Spleen. Wie bist du eigentlich zum Spieleautor geworden und wie muss man sich das Leben eines Spieleautors so vorstellen?

Angefangen mich mit eigenen Spielideen zu beschäftigen habe ich in der Phase, in der ich anfing Solitär- Varianten von Spielen zu spielen. Mein Job bringt es mit sich, dass ich lange Schichten am Stück arbeite. Das bedeutet, dass ich auch vergleichsweise lange Freizeit am Stück habe. Und meist zu einer Tageszeit, zu der andere Menschen arbeiten. Also brauchte es für meinen Spielspaß Solo-Spiele. Das hat mit meinem damaligen Lieblingsspiel Agricola angefangen. Die Spiele von Uwe Rosenberg haben ja alle eine Solovariante. Vor der Veröffentlichung von Vor den Toren von Loyang habe ich dann Uwe persönlich kennengelernt und mich mit ihm angefreundet. Die Solovariante von Loyang habe ich dann schon für H@ll Games getestet. So in etwa in dem Zeitraum habe ich angefangen die ersten eigenen Ideen zu entwickeln und zu basteln.

Mein Leben muss man sich wahrscheinlich nicht so viel anders vorstellen als das von vielen anderen Spieleverrückten. Mit der Ausnahme, dass ich meine Freizeit am Stück nutzen konnte, um mich hinzusetzen und wirklich auch mal diese ganzen Ideen zu basteln. Im Bezug auf Spielverhalten ist es wohl so, dass der Arbeit an den eigenen Spielen einiges untergeordnet werden muss. Sehr selten spiele ich mit anderen Menschen noch „fertige“ Spiele. Das tue ich fast ausschließlich mit meiner Frau. Zum Glück habe ich einige Runden von befreundeten Spielern, zu denen ich immer wieder mit meinen Prototypen gehen kann. Hin und wieder treffe ich mich auch mit befreundeten Autoren.
Ansonsten muss ich mittlerweile feststellen, dass die Arbeit an eigenen Spielen meine Sichtweise auf Spiele grundsätzlich verändert hat. Ich bin sehr viel kritischer geworden. Das intensive Auseinandersetzen mit dem eigenen Spielegeschmack, dem die eigenen Spiele ja entsprechen sollen, hat auch zur Folge, dass man sehr genau weiß, was man nicht so gern mag. Und Spiele, die diesen Vorstellungen widersprechen, müssen leider oft meine Kritik ertragen. Durch Gespräche mit anderen Autoren weiß ich aber, dass ich da nicht alleine bin.

Leider schaffen es bekanntlich nur sehr wenige Spieleautoren, ausschließlich von ihren veröffentlichten Spielen zu leben. Wie verdienst du sonst deine Brötchen?

Ich bin persönlicher Assistent eines querschnittsgelähmten Rollstuhlfahrers. Der Verein bei dem ich angestellt bin, hat sich auf die Fahnen geschrieben, dabei zu helfen, dass behinderte und alte Menschen selbstbestimmt leben können. Das bedeutet, dass ich diesem Rollstuhlfahrer in allen Lebenslagen und bei allen Tätigkeiten assistiere. Ich bin quasi Ersatz für Hand und Fuß.

Ich finde vor allem den Prozess der Entwicklung bei einem Spiel interessant. Wie entwickelt sich ein Spiel an dem du arbeitest? Startest du mit Thema oder Mechanismus?

Grundsätzlich bin ich eher auf der Mechanik-Seite zu Hause. Aber ich finde es wichtig, dass in der Entwicklung des Spiels Mechanik und Thema Hand in Hand gehen. Wenn das Thema früh fest steht, kann man im Entwicklungsprozess und bei Änderungen auf dieses Thema Bezug nehmen. In meiner Hoffnung merkt man das dann am fertigen Spiel, wenn man diese Änderungen dann im Themensinne macht. Bei einigen Ideen ist es aber auch andersherum. Ich kenne schon das Thema dieser Spiele, bin mir aber noch nicht sicher, welche Mechaniken ich dafür verwenden will. Wenn ich etwas passendes gefunden habe, geht es dann auch meist schnell voran, weil sich vieles dann von selbst ergibt.

Bei mir ist es oft so, dass ich mich gern von anderen Spielen inspirieren lasse. Dadurch, dass ich andere Spiele spiele und mich von deren Mechaniken faszinieren lasse, kommen mir in bestimmten Situationen Ideen, dies oder jenes irgendwann mal in einem eigenen Spiel aufzugreifen und auf meine Art zu verändern. Ein schönes Beispiel sind die multifunktionalen Karten aus La Granja. Als ich Ruhm für Rom spielte, war ich total fasziniert von der Idee eine einzige Karte so vielseitig zu verwenden. Ruhm für Rom gefiel mir als Spiel aber so gar nicht in dieser ersten Partie. Nur die Kartenidee hatte mich fasziniert. Der Grundgedanke war, diese Karten mal in einem Spiel zu verwenden, welches meinem Spielegeschmack näher kommt. Jahre später habe ich Ruhm für Rom ein paar Mal öfters gespielt und auch gemerkt, dass mir das Spiel doch sehr gut gefällt. Nur nach der ersten Partie nicht. Es hat er später gefunkt. Aber ich bin immer noch kein Fan davon, die Karten, wenn sie einmal am Tableau liegen, wieder umzustecken. Von unten nach rechts oder links wie man es bei Ruhm für Rom macht. Das gibt es in La Granja daher nicht. Aber auch das ist eine Lektion, die ich erst beim Entwickeln von La Granja gelernt habe. Das genau dies mir nicht gefällt. Das Umstecken gab es nämlich zu einem frühen Zeitpunkt des Spiels auch dort. Irgendwann war mir dann klar, dass ich das eben nicht so haben will. Und auf diese Weise verändern sich die Elemente, von denen man sich inspirieren lässt, dann im Laufe einer Entwicklung.

Würfel als Element im Spiel scheinen dich besonders zu reizen und sie finden sich in allen deiner Spiele als zentrales Element. Was ist an Würfeln für dich so interessant?

Zuallererst ist es wohl das Spielkind in mir, das Würfel so speziell mag. Es macht mir einfach Freude, Würfel zu werfen. Ein sehr haptisches Erlebnis. Sie liegen mal gut, mal schlecht in der Hand, klackern laut über den Tisch. Zu Beginn meiner eingehenderen Beschäftigung mit komplexeren Spielen war ich eigentlich Würfelgegner. Zufall war verpöhnt. Diese Einstellung zu Würfeln hat kürzlich Edward Uhler vom Heavy Cardboard-Podcast zum Besten gegeben: „Wir alle erfreuen uns hin und wieder an Würfeln. Speziell Würfel, die man nicht würfelt.“ Doch das hat sich bei mir geändert. Mittlerweile faszinieren mich Zufallselemente in Spielen. Zufall kann in stärkerer oder schwächerer Ausprägung vorkommen. Es kommt eben immer darauf an, wie er verwendet wird. Zufall sorgt meist für Emotionen. Mich interessieren aber auch „andere“ Anwendungen von Würfeln als die klassischen. Würfel sind vielfältig einsetzbar. Können auch mal etwas anderes zeigen als nur Augen oder Zahlenwerte. Man kann sie mit mehreren Hilfsmitteln manipulieren. Kann den Spielern Werkzeuge an die Hand zu geben den Zufall entweder zu akzeptieren oder ihn zu formen. Interessant an den Würfeln ist für mich außerdem, dass sie eben Zufälle in Spiele bringen. Zufälle sind in meinen Augen das Salz in der Spielesuppe. Denn etwas aus einer zufällig gezogenen Kartenhand oder eben aus einem Würfelwurf das Beste zu machen, ist eine schöne Aufgabe für Spieler. Zudem sorgen Zufälle für unterschiedliche Spielverläufe. Aber: Zufälle müssen auch an den Charakter eines Spiels angepasst werden. Es gibt auch zu viel Zufall.

Nach dem Schreiben und Entwickeln folgen ja dann irgendwann die Tests. Wie viel testest du vorher schon selber und wie viel ergibt sich erst in den Testrunden?

Der Testaufwand ist unterschiedlich – je nach Spiel. No Siesta habe ich weit weniger getestet als La Granja. Es war aber auch viel weniger Aufwand nötig, weil das Spiel eben nicht so komplex ist. Bei La Granja habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich größere Änderungen auch vielschichtiger Auswirken. Man dreht eine kleine Schraube und kann kaum ahnen, was sich alles im Gesamtkonstrukt ändert. Daher habe ich immer sehr, sehr kleine Änderungen gemacht. Oder größere Änderungen von Testspiel zu Testspiel in kleineren Dosen umgesetzt.

Selber teste ich meist so lange, bis ich den Eindruck habe, dass ich ein Konstrukt habe, dass ich anderen Menschen zumuten kann. Ich hab den Anspruch, dass ich mich so gut wie es geht auf Tests vorbereite. Die Tester wenden viel Zeit und Arbeit auf, um mir den Gefallen zu tun und meine Spiele zu testen. Da versuche ich zumindest ihnen keinen fehlerhaften Krempel vorzusetzen. Dabei rede ich noch nicht über Spielbalance. Aber ein funktionierendes Konstrukt ist eben die Voraussetzung für einen frustfreien Testabend. Wenn mir die Tester aufzeigen können, dass mein Spiel nicht funktioniert, dann habe ich zu früh angefangen mich in die Testrunden zu wagen.

Die ersten Testrunden sind wichtig. Ich merke dann, was noch nicht so gut und was schon recht gut funktioniert. Oft ist dann auch schon abzusehen, wo der Spielreiz einzuordnen ist. Wenn man so allein zu Hause sitzt und vor sich her brütet, dann ist man in der eigenen „Denke“ gefangen. Stellt man sein Spiel anderen Menschen vor, wundert man sich oft, auf was für Ideen die kommen? Sachen, die man nie bedacht hat. Ist schon erstaunlich. Das beweist mir auch immer wieder, dass ich meine eigene Meinung nicht zu hoch hängen sollte. Wenn man in die weite Welt hinaus geht und meint, man habe da ein ganz tolles Spiel im Säckel, dann kommen die Tester und machen Sachen, die man nie geplant hat. Finden Regellücken, Endlosschleifen… Das erdet. Und hilft natürlich über die Maße!

Deine Spiele entwickelst du mit Michael Keller gemeinsam. Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen dir und Michael Keller ab?

Mike wohnt ja in der Schweiz, ich selber im hohen Norden von Nordrhein-Westfalen. Sich mal eben zum Testen zu treffen geht nicht. Daher kommunizieren wir über alle Arten von modernen Wegen: Chat, E-Mail, Videokonferenz, Telefon. Das ist nicht immer ganz einfach, eben weil man sich nicht kurz treffen kann, um Differenzen zu klären. Dabei meine ich, dass man sich mit dem Spiel hinsetzen kann und die zu diskutierenden Punkte besprechen. Es gibt nur wenige Situationen im Jahr, wo wir uns auch mal wirklich treffen und auch mal Zeit haben gemeinsam am Tisch zu sitzen.

Ansonsten haben wir gute eine Arbeitsteilung gefunden. Mike ist ein sehr kreativer Typ und hat viele Ideen. Meine Aufgabe ist eher, diese Ideen dann in ein funktionierendes Spiel einzubauen. Das geht dann in etwa so, dass Mike mir seine Idee erzählt, ich dann darüber nachdenke und die Idee dann vielleicht auch noch abwandele, um sie, zum Spiel passend, einzubauen – oder auch mal zu verwerfen, was für Mike dann auch mal hart sein kann. Aber habe ich die Ideen dann eingebaut, entstehen oft neue Ideen daraus und so steigern wir uns hin und her.

Du bist bei Uwe Rosenbergs Ein Fest für Odin besonders bedacht worden, da du den Prämien-Mechanismus beigesteuert hast. Wie kann man sich den Austausch unter den Autoren so vorstellen? Gibt es eine Konkurrenzsituation oder läuft das alles freundschaftlich ab?

Aus meiner persönlichen Erfahrung ist es ein sehr freundschaftlicher Austausch und auch eine offene Zusammenarbeit. Man hilft sich. Man lernt von den anderen Autoren und wird dadurch immer besser. Ich habe ja schon gesagt, dass ich mich auch gern inspirieren lasse von dem, was andere Autoren so für Ideen haben, die mich begeistern. Wichtig ist dabei, dass man nicht klaut, sondern etwas Eigenes daraus macht und, dass man es nicht unerwähnt lässt. Das habe ich von Uwe gelernt, den ich, neben Ralph Bruhn von H@ll Games, für eine Zeit lang durchaus als eine Art Lehrmeister betrachten würde. Er hat mich mit offenen Armen an seiner Weisheit teilhaben lassen und mir viele Lektionen in Sachen Spieldesign gegeben. Wenn ich nun einen kleinen Teil zu einem seiner Spiele beitragen konnte, dann freut mich das sehr. Es ist Uwes Art dies in seinen Spielregeln auch zu erwähnen. Und das ist etwas, was ich sehr gut finde und daher auch übernommen habe.

Du hast mit La Granja ein viel gelobtes Spiel abgeliefert. Nun sind Solarius Mission und ¡No Siesta! (die Würfel-Variante von La Granja) erschienen. Was dürfen wir in Zukunft erwarten? Vielleicht „No Robots“ als Würfelvariante von Solarius Mission?

Auf der Spielemesse in Essen habe ich den Vertrag für mein nächstes Spiel unterschrieben. Daher wird es erst mal weiter gehen. Allerdings hat das noch Zeit. Das Spiel kommt, je nach Entwicklungsdauer, entweder 2017 oder 2018. Eine Würfel-Variante zu Solarius Mission werde ich sicherlich nicht machen. Solarius Mission ist Mikes Spiel, bei dem ich ihm geholfen habe die Entwicklung fortzuführen und abzuschließen. Daher wäre es Mikes Aufgabe hier ein Würfelspiel zu machen. Aber ich feile weiterhin an meinen Projekten und derzeit bin ich zuversichtlich, dass davon noch einige veröffentlicht werden. Aber vorhersagen kann man das nie.

Danke für die Bereitschaft mir die Fragen zu beantworten.

Danke auch an dich für die Anfrage! Hat Spaß gemacht! Viel Erfolg mit deinem Blog!

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September 6th, 2016 by Dirk
Lesezeit: 3 Minuten

Mit “Brief&Siegel” wurde gerade die zweite Erweiterung für das Kennerspiel des Jahres 2014 “Istanbul” vorgestellt. Was sie hinzufügt und wie sich das Spiel verändert versuche ich hier kurz zusammenzufassen. Istanbul und seine Erweiterungen sind bei Pegasus Spiele erschienen und Autor ist Rüdiger Dorn.

Wie es gespielt wird

In Istanbul sind wir Kaufleute, die sich über den Basar von Istanbul bewegen und an den verschiedenen Orten Aktionen ausführen, die uns unserem Ziel näherbringen sollen – Rubine sammeln. Jeder Spieler hat einen Handkarren, mit dem er die Waren des Marktes transportiert. Diesen kann man in der Wagnerei ausbauen, um mehr Waren zu transportieren. Hat man das drei Mal getan, dann hat er seine maximale Größe erreicht und man erhält einen Bonus-Rubin. Um schlussendlich an weitere Rubine zu kommen, kann man im Palast des Sultans Waren abliefern oder Geld, welches man auf einem der beiden  Märkte verdient hat, zum Edelsteinhändler bringen. Zusätzlich kann man Bonuskarten bekommen und ausspielen, die einem kleine Vorteile verschaffen oder in den Moscheen Sonderplättchen erlangen, die gewisse Regeln des Spiels außer Kraft setzen oder einen fünften Gehilfen für den Kaufmann liefern.

Innovativ ist bei Istanbul der Mechanismus der Aktionswahl, denn man bewegt sich auf ein Ortsfeld und lässt dort einen seiner Gehilfen zurück. Von dort geht es weiter zum nächsten Ort. Um die Gehilfen wieder einzusammeln gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder muss man zurück zum Brunnen, dann kommen alle dorthin zurück und scharen sich wieder um den Kaufmann oder man sammelt sie wieder ein, indem man die Orte auf denen sich die Gehilfen befinden erneut besucht. Im Endeffekt geht also darum, sich möglichst effizient zu bewegen

 

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Der große Basar von Istanbul

Die erste Erweiterung “Mokka&Bakschisch” bringt als neue Ressource Kaffee ins Spiel. Durch den Kaffee kann man bspw. im Kaffeehaus oder in der Taverne Rubine erhalten. Zusätzlich kann man in der Taverne den Mitspielern das Leben schwer machen, indem man eine Sperre zwischen zwei Orte legt, die man nur noch selbst passieren kann. Kaffee erhält man natürlich in der Kaffeerösterei. Insgesamt gibt es hier neue Möglichkeiten an Rubine zu kommen. Durch die Gildenhalle kann man die sehr mächtigen Gildenkarten erhalten, die mächtige Vorteile bringen und deren Ausspielen deshalb auch als kompletter Spielzug zählt.

 

Die zweite Erweiterung “Brief&Siegel” fügt nun wieder neue Möglichkeiten hinzu und ermöglicht mit der Variante “Der große Basar” ein Spiel  auf 25 verschiedenen Orten. Die neuen Orte addieren wieder eine neue Möglichkeit an Rubine zu kommen. Durch Abgabe von Siegeln erhält man beim Geheimbund Rubine (quasi Informationen gegen Geld). Mit den Katakomben gibt es eine Möglichkeit sich etwas schneller über das dann große Spielfeld zu bewegen. Interessanteste Neuerung ist der Kompagnon, der sich unabhängig vom Kaufmann bewegt und ebenfalls Ortsaktionen auslösen kann – allerdings ist er langsamer als der Kaufmann mit seinem Gefolge. Der Kiosk bietet dazu die Möglichkeit schnell an kleine Boni zu gelangen und das Aktionshaus liefert zwei Bonuskarten an den Höchstbietenden.

Was uns gefallen hat

Istanbul mit beiden Erweiterungen ist nun ein wirklich großes Spiel mit ausreichend Komplexität und vielen Möglichkeiten. Schön ist dabei, dass die Spielzeit nicht ins Unendliche wächst, da man nun einfach mehr und vielfältige Möglichkeiten hat, an Rubine zu gelangen. Die DNA des Spiels – das Wettrennen auf dem Basar – verändert sich durch die Erweiterungen nicht. Der Kompagnon ermöglicht trotz sehr großem Spielfeld weiterhin kurze Wege. Das Material ist qualitativ hochwertig und die Regeln klar und mit wenig Interpretationsspielraum. Kann man Istanbul im Basisspiel noch mit Gelegenheitsspielern gut spielen, so ist es mit den beiden Erweiterungen zu einem echten Vielspielerspiel geworden, an das man Gelegenheitsspieler behutsam heranführen muss. Aus unserer Sicht ist das Spiel nun komplett und bietet auch im Fünf-Spieler-Spiel ausreichend Platz und Variation, damit unterschiedliche Strategien und Taktiken genutzt werden können. Wirklich toll und variantenreich!

Was uns nicht gefällt

Es ist wenig zu vermelden an dieser Stelle, denn Istanbul mit Erweiterungen ist weiterhin das Spiel, das es bereits im Grundspiel war. Allerdings zeigt sich im Fünf-Spieler-Spiel nun eine kleine Schwäche: Die Wartezeit zwischen den einzelnen Spielzügen  wird teilweise etwas zu lang. Vor allem gegen Ende, wenn man einen klaren Plan hat, kann dies nervig sein und die Spieldauer etwas verlängern. Trotzdem ist die Spielzeit auch zu fünft noch tragbar und bewegte sich bei uns bei etwa zwei Stunden inklusive häufiger kleinerer Regelüberprüfungen. Nach Kenntnis aller Funktionen und Regeln der neuen Erweiterung könnte es ggf. etwas schneller gehen. Generell negativ ist, dass man in der Regel schon ein paar Züge vor Ende weiß, wer gewinnen wird und man nur noch wenig Möglichkeiten hat, dies zu verhindern. Hier wünsche ich mir noch ein kleines überraschendes Element, welches vor den Mitspielern verdeckt ist. Vielleicht ja doch noch was für eine Erweiterung. 😉

Fazit

Istanbul gewinnt durch die beiden Erweiterungen erheblich an Möglichkeiten und es eröffnen sich ganz neue Strategien. Die Spielzeit wächst nur unwesentlich und nur mit fünf Mitspielern erhöht sich die Wartezeit zwischen den Zügen etwas zu sehr. Wir hatten sehr viel Spaß und gegen Ende war die Anspannung der Mitspieler deutlich spürbar. Istanbul bleibt ein großes Wettrennen auf dem Basar und das ist auch gut so!

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