Warum muss ich lesen können, um spielen zu können?!

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Zugegeben, der Titel ist etwas überspitzt. Dennoch bringt er in Teilen zum Ausdruck, worum es mir geht. Schon lange wollte ich mich mal mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Brett- und Videospielen beschäftigen und irgendwie greife ich diesen einen Aspekt endlich mal auf.


Ich habe heute leider keine Anleitung für dich…

Bei Videospielen fällt eines auf: Es gibt im Grunde keine Anleitung. Zumindest keine offizielle und vor allem keine, die im Detail erläutert, was passiert wenn X auf Y trifft. Es wird zwar gesagt, was man bspw. durch einen Druck auf den Knopf X auslöst (bspw. ein Pass beim Fußball-Spiel), aber mehr auch nicht. Ist ja auch logisch, das macht ja das Spiel. Und betrachtet man Videospiele wie Super Mario Bros. kann man eigentlich gleich losspielen. Steuerkreuz zum Laufen, die restlichen Knöpfe probiert man einfach so aus und schon geht‘s los. Und komplexere Spiele – auch und gerade auf mobilen Plattformen – haben in der Regel ein Tutorial. Ich frage mich immer, warum die Verlage etwas vergleichbares bei Brettspielen nicht regelmäßig schaffen. Gerade für alles im Bereich Ameritrash und storybasierte Spiele müsste das doch eigentlich klappen.

Klar geworden ist mir das beim Spiel Village Attacks. Eigentlich kein kompliziertes Spiel. Und dennoch muss man zunächst einige Seiten in der relativ ausführlichen Anleitung lesen, bevor man loslegen kann. Diese ist zwar gut gemacht und lässt keine Fragen offen, aber ich muss vorneweg erst mal 12 Seiten lesen, bevor ich anfange. Und auch wenn die Regeln im Verlauf der Kampagnen immer komplexer werden und neue Elemente hinzukommen. Hier – und auch bei anderen ähnlichen Spielen – hätte ich mir eine Art Tutorial gewünscht. Eine Art komplett geskriptete erste Kampagne, in der man die Abläufe des Spiels lernt. Idealerweise sogar mit einem kleinen Video oder einer sogenannten Companion-App, die als kleiner interaktiver Begleiter durch das Spiel leitet. Sicherlich, Ansätze für solcherlei gibt es bereits. Zum Beispiel Die Legenden von Andor (erschienen bei Kosmos). Hier startet man mit einem übersichtlichen Set an Regeln und wird im Spielverlauf sukzessive an die komplexeren Regeln herangeführt. Das hat wunderbar funktioniert. Und dennoch passiert das meiner Meinung nach viel zu selten. Viel häufiger würde ich mir das wünschen. Einfach Schachtel aufmachen, Spiel aufbauen und mehr oder weniger direkt losspielen.

Analog bleibt analog

Und die Möglichkeiten des Digitalen werden auch noch nicht ausreichend genutzt. Kosmos geht beispielsweise mit ihrer Erklär-App bereits seit längerem einen Weg, der schon in eine richtige Richtung weist. Ich weiß nicht, warum diese Dinge nicht so richtig zünden. Denn eigentlich machen sie uns allen das Leben doch leichter – Vielspielern genauso wie Neulingen. Aber anscheinend wollen wir Brettspieler nichts mit digitalen Lösungen zu tun haben. Wir wollen analog bleiben. Dabei bieten sich noch viel mehr Möglichkeiten.

Die Firma Dized liefert mit ihrer App bspw. bereits eine entsprechende Plattform, die nichts weniger verspricht, als dass man ein Spiel im Handumdrehen lernen soll. Ganz ohne Regeln lesen. Und beim Spielaufbau will sie auch schon unterstützen. Klingt nach einem tollen Versprechen und ich wünsche mir sehr, dass es genauso funktioniert. Die Plattform bietet heute schon viele Spiele von ganz einfachen Spielen wie Ice Cool bis hin zu großen komplexen Titeln wie Blood Rage oder Scythe. Klingt doch nach einer guten Sache. Bisher hatte ich leider noch keine Gelegenheit da mal einen näheren Blick reinzuwerfen. Sollte ich vielleicht mal tun, um das Angebot besser beurteilen zu können.

Und dennoch: Irgendwie sträuben wir uns gegen die digitalen Helferlein am Spieltisch. Woran das liegt, kann man nur mutmaßen. Aus meiner Sicht wollen wir das Analoge des Spielens beibehalten und nicht auch noch in dieser Sparte digitalisiert werden. Vielleicht sind wir froh, wenn wir einer Tätigkeit mal ganz ohne Angst um Akkulaufzeiten und Internetverbindungen nachgehen können. Denn genau diese Möglichkeit bieten Brettspiele. Bei Stromausfall im Schein der Kerzen würde man früher oder später zu einem analogen Brettspiel greifen, um sich zu beschäftigen. Selbst Nichtspieler würden die Würfel oder Karten aus der hinteren Ecke der Wohnwand hervorkramen.

Immer gleich aufgebaut – die Brettspielanleitung

Und genau dieses Festhalten am Analogen ist es auch, was es notwendig macht, Spielanleitungen und deren Ansatz zu überdenken. Wenn die Menschen digitale Helfer bei Brettspielen partout nicht annehmen wollen, muss man schauen, wie man die analogen besser machen kann. Viele Spiele bieten die Möglichkeit, bleiben aber trotzdem beim typischen Aufbau einer Spielregel. Und genau dort müsste man mal ansetzen. Einfach mal hinterfragen, ob es wirklich die detailverliebte und bis ins letzte ausgearbeitete Anleitung sein muss. Oder reicht es vielleicht die wichtigsten Regeln zu erklären und in einer Art Einführungsspiel durch eine Runde zu führen?! Alle Details kann man in einer Art lebendem FAQ-Dokument erläutern, das dann u.a. auch digital abgerufen werden kann. So könnten auch evtl. vorhandene Unklarheiten besser (und vor allem offiziell) geklärt werden und Regelfehler schnell und unkompliziert behoben werden.

Vielleicht bin ich da zu vermessen, zu blauäugig und stelle mir das zu leicht vor, aber wünschen würde ich es mir schon. Und man wird ja wohl noch träumen dürfen…


Was denkt ihr? Warum haben es digitale Helfer bei Brettspielen so schwer?

Würdet ihr euch einfachere Spielanleitungen wünschen oder gefällt euch das Heft mit allen Details besser?

April 12th, 2019 by