Tiefe Gläser, schöne Tavernen – Die Tavernen im Tiefen Thal (Schmidt Spiele, 2019)

Titel Rezension Tavernen im Tiefen Thal Tal Lesezeit: 8 Minuten

Wolfgang Warsch hat in den letzten anderthalb Jahren eine Bekanntheit in der Brettspielszene erlangt, von der mancher Autor wohl auch nach Jahren nur träumen kann. Nahezu alle Veröffentlichungen wurden von der Spielerschaft freudig aufgenommen und von der Kritikerschaft meistens auch positiv besprochen oder gewürdigt. Seien es Ganz schön Clever (Schmidt, 2018), Die Quacksalber von Quedlinburg (Schmidt, 2018), The Mind (nsv, 2018) oder andere. Nahezu alles gelang. Gut, man dachte er hätte einen entsprechenden Backlog, der nun sehr flott veröffentlicht wurde und dann ist es erst mal wieder ruhig. Aber es ging munter weiter. Quacksalber Erweiterung, Doppelt so clever und natürlich Die Tavernen im Tiefen Thal. Dazu noch ein Partyspiel-Kickstarter-Projekt, das finanziert wurde. Nicht zu vergessen die letztjährige Dreifach-Nommierung zum Spiel des Jahres bzw. Kennerspiel des Jahres. Dazu dann noch der Preis für Die Quacksalber von Quedlinburg. Mal schauen, ob die Tavernen halten, was sie versprechen, obwohl sie keinerlei Berücksichtigung für das Kennerspiel des Jahres fand.

Als kleines Schmankerl findet ihr am Ende des Artikels noch den direkten Downloadlink zu einer inoffiziellen Solo-Variante, die ich von Wolfgang Warsch übernommen habe…


Wie Die Tavernen im Tiefen Thal gespielt wird

Wie bei Die Quacksalber von Quedlinburg ist auch Die Tavernen im Tiefen Thal von einem eigentlich recht einfachen Grundmechanismus geprägt. Jeder Spieler hat ein Deck an Karten, die zu Beginn aus 7 Gästen und drei Arbeitskräften bestehen. Die Gäste wollen an Tische gesetzt werden, die Arbeitskräfte werden in der Gaststätte eingesetzt. Die Gaststätte ist dabei ebenfalls zu Beginn identisch ausgestattet, kann aber im Spielverlauf individuell aufgewertet werden. Zusätzlich besitzt jeder Spieler noch vier weiße Würfel und drei in der eigenen Spielerfarbe.

Tavernen im Tiefen Thal Wolfgang Warsch Schmidt Spiele Rezension Bewertung
Das Startdeck ist bei jedem Spieler zunächst mal identisch – Die Tavernen im Tiefen Thal

Der Spielzug ist in verschiedene Phasen gegliedert. Zu Beginn nimmt jeder Spieler seinen Nachziehstapel und deckt nacheinander Karten auf. Gästekarten werden auf die vorhandenen Tische gelegt, Arbeitskräfte rechts oder links neben das Tableau. Dies tut man so lange, bis alle Tische in der Gaststube besetzt sind. Das kann also bei einem Spieler nach drei Karten vorbei sein (drei Gästekarten), andere decken vielleicht sogar zuvor noch alle Arbeitskräfte auf.

So haben nun alle Spieler einige Karten vor sich liegen und man geht in die nächste Phase über, das Würfel-Drafting. Jeder Spieler würfelt die vier weißen Würfel sowie ggf. einen oder mehrere der persönlichen Würfel, die man durch die Kellnerin erhält. Nun wählt man einen weißen Würfel aus und gibt die restlichen drei jeweils an seinen linken Nachbarn weiter, die persönlichen Würfel bleiben natürlich beim jeweiligen Spieler. Wurden auf diese Weise alle weißen Würfel verteilt, platziert man alle Würfel, die vor einem auf dem Tisch liegen auf dem Gaststättentabelau. Man kann Gäste bedienen, Bier zapfen oder liefern lassen, Geld aus der Kasse nehmen oder Gutes für das Kloster tun. Je nach Aktion werden Würfel mit unterschiedlichen Werten gebraucht. Dazu können manche Aktionen mehrfach ausgeführt werden (Bierlieferung mit 1en und 6en bspw. beliebig oft), andere nur einmal (Gäste bedienen oder Geld aus der Kasse nehmen). Mit dem so erwirtschafteten Geld oder Bier kann man dann seine Karten verbessern. Reihum wird also das Bier und Geld unter die Leute gebracht. Mit Bier lockt man zunächst in erster Linie Gäste an, mit Geld wertet man die Gaststätte auf und/oder stellt weitere Arbeitskräfte ein. Alle neu erworbenen Karten, ob Gäste oder Arbeitskräfte, werden verdeckt auf den Nachziehstapel gelegt, stehen also direkt im nächsten Zug zur Verfügung.

Und so geht es nun acht Runden lang weiter. Wer dann die meisten Punkte in seinem Kartenstapel hat, gewinnt. Klingt einfach, hat aber auch seine Tücken.

Dazu kommen einige Module, die man nach dem Grundspiel (das als Modul 1 bezeichnet wird) dazu nehmen kann.

Modul 2 bringt die Schnäpse ins Spiel. Mit Ihnen kann man fahrendes Volk bestechen und so einige Sonderaktionen nutzen. So kann man bspw. unliebsame Karten aus seinem Deck verbannen oder auch an eine große Menge Bier kommen. Am interessantesten ist der Joker, der es ermöglicht einen Würfel auf eine beliebige Seite zu drehen. Eine immens wichtige Funktion, die aber erst ab Runde 5 zur Verfügung steht.

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Hier wurde viel Bier für die Gäste geliefert – Die Tavernen im Tiefen Thal

Modul 3 ist aus meiner Sicht auch ein wichtiges Modul, denn es erweitert die Theke des Gasthauses um eine Ruf-Leiste. Auf dieser dreht man nach und nach seine Runden und kann neben Punkten für die Spielendewertung auch noch Schnaps erhalten oder Karten loswerden.

Modul 4 sorgt dann für unterschiedliche Startbedingungen. Ist ja klar: Jeder Jeck ist anders und so ist auch jede Kneipe anders. Aus meiner Sicht weniger wichtig ggü. Modul 2 und 3, aber nett.

Modul 5 schlussendlich bringt noch ein Gästebuch ins Spiel, in dem sich die Gäste verewigen können. Dadurch kann man auch wieder weitere Boni freischalten und so seine Taverne noch weiter voranbringen.

Bei diesen Modulen muss allerdings beachtet werden, dass sie nicht wie bei anderen Spielen beliebig kombiniert werden können, sondern in genau der vorgegebenen Reihenfolge hinzugenommen werden müssen.


Was an Die Tavernen im Tiefen Thal gefallen hat

Die Tavernen im Tiefen Thal war eines der am meistens erwarteten Spiele meinerseits. Als ich es auf der Spielwarenmesse in Nürnberg zum ersten Mal live und in Farbe gesehen habe mit seinem modularen Spielbrett, war es um mich geschehen. Ich wollte es sofort spielen und besitzen („Mein Schatzzzz….“).

Zunächst aber mal zum Spielmaterial. Das Material derartig detailverliebt und genial gestaltet, dass es jedem Brettspielgeek die Sprache verschlägt. Alles greift ineinander und macht Sinn. Überall sind hübsche kleine Details zu entdecken. Die Charaktere sind liebevoll gestaltet. Alleine der Klosterplan mit Sommer-Seite und Winter-Seite ist wunderschön. Dennis Lohhausen hat sich hier richtig austoben dürfen und was soll ich sagen: Es ist toll geworden! Eine Wucht! Es ist ein nahezu perfekt gestaltetes und produziertes Spiel.

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Sogar das Inlay wurde so liebevoll gestaltet, dass man es drinlassen möchte…

Aber nicht zu vergessen ist auch die redaktionelle Arbeit. Auch hier hat die Redaktion mit Sicherheit einiges an Aufwand investiert, damit alles so toll funktioniert und ineinander greift. Allem voran die wirklich sehr gut aufgebaute Anleitung, die das Spiel inklusive seiner Module hervorragend erklärt und wenige Fragen offen lässt. Auch die Trennung von Modul 1 (a.k.a. Grundspiel) und den Modulen 2-5 (a.k.a. Erweiterungen) ist sehr gut gelungen, da man sich so nicht gleich von einer ganz dicken Anleitung erschlagen fühlt. So muss man sich erstmal nur mit den auch schon umfangreicheren Basisregelwerk auseinandersetzen. Das wird dem ein oder anderen erstmal reichen. Das Schöne ist, dass die einzelnen Module nur kleine Teile hinzuaddieren und somit leicht verträgliche Zwischengänge sind, nachdem man das Grundspiel einmal verdaut hat. Eine sehr kluge Entscheidung, die man wirklich mal würdigen muss.

Der Spielablauf an sich ist so eingängig, dass er jedem halbwegs versierten Brettspieler in kürzester Zeit in Fleisch und Blut übergehen wird. Ähnlich wie schon bei den Die Quacksalber von Quedlinburg ist auch bei Die Tavernen im Tiefen Thal der Ablauf an sich schnell begreifbar. Dazu gibt der Mechanismus vor, wann die Aufdeckphase beendet ist (alle Tische besetzt) und das ist ja auch unglaublich thematisch (Gaststätte voll, Tür zu). Das ist sehr schlüssig und elegant. Es erinnert mich auch wieder an die Quacksalber, bei denen die Knallerbsen Ähnliches getan haben.

Die Kartenauslage mit den Angestellten und Gästen bietet übliche Deckbau-Kost. Die Angestellten verstärken Aktionen oder machen sie berechenbarer. So hat man nach der Festanstellung einer Kellnerin immer einen zusätzlichen Würfel für sich allein, was in den überwiegenden Fällen sehr hilfreich ist – alleine schon, weil man einen Würfel mehr hat. Neue Gäste sorgen dafür, dass ich auch 4er und 5er auf diesen einsetzen kann und liefern natürlich auch mehr Geld als Oma und Opa mit ihrem Seniorenteller. Auch gut gefällt, dass die Adligen, die ein wichtiger Punktelieferant sind, das Deck nicht so sehr verstopfen, wie es bei den meisten klassischen Deckbauspielen der Fall ist. Sie nehmen zwar einen eigenen Tisch ein, was schon bitter genug ist, da sie natürlich nicht zahlen, aber es ist trotzdem nicht soooo schlimm. Sie sind ja auch eine Menge Punkte wert sind und alle Adligen sammlen sich an einem Tisch.

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Selbst die Würfelteller zum Ablegen der Würfel sind sehr individuell gestaltet…

Schön gelöst ist auch die Auszählung der Punkte. Gibt es Spiele bei denen man aus einer Vielzahl an Punktelieferanten die Summe bilden muss (bspw. Hadara von Hans im Glück), zählt man bei Die Tavernen im Tiefen Thal im Wesentlichen die Punkte auf den Karten zusammen. Lediglich im Modul 3 kommt noch mal ein Punktewert von der Theke dazu. Das war es. Keine Modifikatoren oder zig-fache Boni, einfach Kartenzählen (das ist hier erlaubt) und schauen, wer gewonnen hat.

Insgesamt ist das Spiel sehr rund und mechanisch und optisch so toll gestaltet, dass man es dafür einfach lieben muss. Für mich ist es eine tolle Mischung aus einem berechenbaren Kennerspiel und einem auch für geübte Gelegenheitsspieler noch gut beherrschbaren Konzept, wenn auch hart an der Grenze.


Was an Die Tavernen im Tiefen Thal nicht gefallen hat.

Doch wo viel Licht ist, gibt es immer auch Schatten, das bleibt wohl nicht aus.

Ich habe ja schon gesagt, wie gut mir das Material des Spiels gefallen hat, aber es hat auch seine Tücken. Die Modularität des Spielertableaus – ein klassisches Spielbrett gibt es ja auch hier nicht – führt zu vielen Kleinteilen, die sich auch sehr gut aus dem Stanzbogen lösen. Hier muss man jedoch höllisch aufpassen nicht versehentlich was zu verlieren. Ich hätte beispielsweise fast die kleinen Schnapsplättchen des Klosterspielplans weggeworfen. Zudem hätte man die wenigen Holzmarker nun wirklich noch in Geldsack-, Bierglas- oder Bierfass-Form bringen können, dann wäre das alles noch stimmiger gewesen. Aber wie sagt man so schön: Jammern auf hohem Niveau! 😉

Dennoch merkt man nach einigen Partien auch, dass Die Tavernen im Tiefen Thal mitunter eine große Rechnerei ist. Ständig muss man die Bier- oder Geldkosten berechnen und durchrechnen, ob sich der Gast lohnt oder ein anderer ggf. sinnvoller ist. Das hat zwar auch mit Entscheidungen zu tun, die zu treffen sind, aber dennoch muss immer auch viel Kopfrechnen erfolgen. Mich nervt das mittlerweile ein wenig, da es sich erheblich von anderen Spielen unterscheidet. Hier treffe ich nicht nur eine Entscheidung unter Ungewissheit, sondern muss permanent auch im kleinen 1×1 und mit den Grundrechenarten Kopfrechnen. Und das ist irgendwann einfach ermüdend. Jetzt kann man sagen: „Ist doch gut, dann lernst du es auch mal wieder und hältst die alte Birne fit.“. Aber ehrlich gesagt, habe ich keine Lust in 4 oder 5 von 8 Runden hauptsächlich Zahlen im Kopf zu jonglieren. Anfangs hatte ich wirklich Lust das Spiel auch zwei- oder dreimal hintereinander zu spielen, mittlerweile reicht mir eine Partie. Das hat nichts mit „Cult of the New“ oder ähnlichen Phänomen zu tun, sondern ist einfach der Tatsache geschuldet, dass mich dieses permanente multiplizieren und addieren auf Dauer anstrengt bzw. es mir auf die Nerven geht.

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Viele kleine Teile und Mechanismen greifen ineinander, um die Gäste glücklich zu machen…

Da ein wesentliches Element der Deckbau ist, fehlen mir hier und da so richtig harte Möglichkeiten das Deck zu bereinigen und die unliebsamen Gäste loszuwerden. Zwar kommt dies durch die Module 2 und 3 ins Spiel, jedoch muss man einen erheblichen Aufwand betreiben, so dass andere Strategien in der Regel deutlich attraktiver und punkteträchtiger sind. So kommt es, dass man diese Strategie eher nur nebenbei verfolgt und somit der Glücksfaktor beim Aufdecken der Karten überhand gewinnt. Mir fehlt einfach ein Rausschmeißer als Angestellter, mit dem ich die unliebsamen Gäste loswerden kann.

Apropos Glücksfaktor! Der ist mitunter nicht zu vernachlässigen beim Aufdecken der Karten. Gerade in der vorletzten und letzten Runde ist es doch so, dass ein schlechtes Blatt mit wenigen Angestellten schnell dazu führt, dass die Gaststätte voll ist, man aber gar nicht alle bedienen kann. Das kann dann schon spielentscheidend sein. Gut, dass es die Thekengäste gibt, die können da noch mal helfen. Allerdings auch nur, wenn man nicht gerade die lukrativsten Gäste aufgedeckt hat und diese nun wieder ablegen muss. Kurzum, das Glück spielt beim Tavernenwirt eine nicht zu unterschätzende Rolle, die für mich verschmerzbar wäre, gäbe es bessere Möglichkeiten das Deck zu bereinigen.

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Im Spielverlauf wächst der Stapel der potenziellen Kunden, es kommen Spielleute in die Taverne und man stellt Angestellte ein…

Last but not least ist noch anzumerken, dass durch den Rundenablauf, so klar er auch geregelt ist, ein Haufen Micromanagement erfolgen muss. Und ich musste auch gerade am Anfang häufig noch mal nachschauen, damit wir nichts vergessen. Und mit fortschreitender Spielhäufigkeit stellte sich leider auch keine wirkliche Routine ein, die dazu geführt hätte, dass nichts im Ablauf vergessen geht. Dazu gibt es einfach zu viele Phasen, die alle für sich genommen zwar klar sind, insgesamt dann jedoch viel Management erfordern. Da waren die Die Quacksalber von Quedlinburg doch noch etwas eleganter und damit auch tatsächlich deutlich weniger „kennerspielig“.


Fazit zu Die Tavernen im Tiefen Thal

Trotz aller Kritik an Kopfrechnen, Glücksfaktor und Micromanagement bleibt Die Tavernen im Tiefen Thal eines meiner Highlights im Kennerspielbereich für das Jahr 2019 und bestimmt auch darüber hinaus. Das Spiel ist so schön und es macht einfach Spaß seine Gaststätte zu entwickeln und unterschiedliche Strategien auszuprobieren. Da das Spiel recht erfolgreich war, stehen zukünftigen Modulen oder Erweiterungen der vorhandenen Module nichts mehr im Weg. Die Tavernen im Tiefen Thal ist ein blitzsauberes Design mit toller Gestaltung und viel Varianz durch die vier weiteren Spielmodule.


Inoffizielle Solo-Variante zum Download

Da ich bekanntermaßen Solo-Spielen durchaus nicht abgeneigt bin, habe ich mich mit Wolfgang Warsch zusammengetan und seine Solo-Variante, die er während der Testphase verwendet hat, mal runtergeschrieben. Der Schmidt-Verlag hat mir dazu noch gestattet, das offizielle Layout zu verwenden.

Ihr könnt sie >>>hier auf der Seite runterladen.<<<

Teilt doch gerne auch den Link in euren Brettspielgruppen. Ich werde die Datei dann bald auch auf Boardgamegeek einbinden.

Juli 1st, 2019 by